Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Stimme. Sie fächelte sich Luft zu. Ihre rote Bluse war zerknittert, und der dritte Knopf von oben hing an einem dünnen Fädchen. Wenn er sich löste, würden ihre Brüste mit einem Tusch hervorplatzen. Zadira schätzte die Blondierte auf Mitte vierzig.
»Was wollen Sie?«, fragte Zadira.
»Muss man denn immer etwas wollen?«
»Will jemand wie Sie nicht immer etwas?«
»Sind Sie nicht die Ermittlerin aus Marseille?«
»Sind Sie nicht eine der sieben Plagen?«
»Waren das nicht zehn?«
Die beiden Frauen musterten einander. Die Mundwinkel der Blondierten zuckten leicht, als ob sie sich nicht entscheiden könnte, ob sie lachen oder lieber eine zickige Bemerkung machen sollte.
Und auch Zadira spürte so etwas wie Belustigung. Diese Frau wich zumindest nicht zurück, wenn es einmal lauter wurde.
»Also, so kommen wir nicht weiter«, konstatierte die Frau in der roten Bluse charmant. »Frage, Gegenfrage, irgendwie blöd. Fangen wir also noch mal von vorn an. Hallo, ich bin Blandine Hoffmann, freie Polizeireporterin bei Le Dauphiné. Wir haben telefoniert, gestern gegen neun Uhr, also mitten in der Nacht.« Sie streckte Zadira eine schmale Hand mit Fingernägeln entgegen, von denen schillernd blauer Nagellack abblätterte.
»Zadira Matéo.«
»Beten Sie hier, Matéo?«
»Sollte ich, Hoffmann?«
»Aber ja. Ich bete, ich bete für einen Mann, und …«
»Für einen Mann? Können Sie das nicht leiser?«
Stille. In den blauen Augen der Reporterin funkelte es. Dann kniete sich Blandine Hoffmann umständlich hin, verschränkte ihre Finger und begann mit gesenktem Blick zu beten: »Liebe Heilige Philomène von Mazan, ich bete für den jungen Dédé Horloge, dass er einen ausgezeichneten Anwalt hat. Ich bete dafür, dass dieser Anwalt intelligent genug ist, um zu durchschauen, dass sein junger, dummer, verliebter Mandant eines Mordes bezichtigt wird, den er nicht begangen hat, um von den wahren Tätern abzulenken. Und ich bete dafür, dass die gutaussehende Polizistin aus Marseille demnächst zufällig in die Bar neben der Apotheke mit dem hübschen, aber leider verheirateten Apotheker geht, um sich dort anzuhören, was eine Reporterin meiner demütigen Schwitzigkeit ihr über einen Herrn namens César Alexandre zu erzählen hat. Amen, deine Blandine.«
Sie wartete einen Moment, dann linste sie zu Zadira.
»Nicht schlecht«, sagte diese. »Warum glauben Sie an eine Serie, Blandine Hoffmann?«
»Ich könnte es Ihnen ja mal erzählen, Zadira Matéo. Bei Gelegenheit.«
»Und warum tun Sie es nicht gleich?«
»Ach, Sie wissen doch, ein Mädchen wie ich muss immer mindestens noch eine Karte mehr auf der Hand haben, um nicht gleich ganz blankziehen zu müssen.«
»Und Sie hätten gern einen Joker?«
»Um genau zu sein, hätte ich gern zwei Buben, eine Dame und einen König.«
»Und dafür bieten Sie was? Blankziehen müssen Sie vor mir nicht, dafür bin ich nicht der Typ.«
»Für was sind Sie dann der Typ?«
»Ach, wissen Sie, Interviews nur nach Feierabend, und die sind streng privat.«
Blandine seufzte. »Sie sind kein Mann, das ist insofern schade, als ich Ihnen nicht mal meine beiden Girls hier unter die Nase halten kann.«
Zadira spürte das Lachen anrollen. »Zeigen Sie mir, was Sie auf der Hand haben, und ich sag Ihnen, ob ich damit spielen kann.«
»Schön. Rauchen wir dazu eine?«, fragte Blandine.
»Sie rauchen, ich guck zu.«
»Mein Beileid. Können wir dabei wenigstens Alkohol trinken?«
Es war noch nicht einmal zwölf Uhr mittags.
»Sie schon.«
Als sie fünfzehn Minuten später mit ihren Pastis-Gläsern in der Hand auf der Terrasse vor dem Lou Càrri nach einem Platz suchten, sahen sie Jules und Atos auf der anderen Straßenseite vorbeigehen – der riesenhafte, treudoofe Vorstehhund hatte noch immer schwache blaue Flecken, trotz Butterbürstung.
»Hm, niedlich. Ein Naturblonder. Ob der wohl noch frei ist?«, fragte Blandine.
Überrascht spürte Zadira einen Stich von Eifersucht. Dann setzten sich die Frauen an einen Tisch unter der Kastanie, und Zadira genoss den frischen Rauch von Blandines Gauloises.
»Gut. Ich zeige Ihnen jetzt meine Karte«, begann Blandine leise. »1995, da war ich Mitte zwanzig und naturblond, auch wenn das manch einer nicht glauben will. Ich hatte nach dem Studium in Aix und einer Rundreise durch Indien meinen ersten Job als Reporterin. Sie wissen schon, all die wahnsinnig großen, wichtigen Stories: über das Tomatenfestival, den örtlichen Handballverein oder
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