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Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Bagnol
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geschehen, mon Commissaire«, antwortete sie mit heller Stimme, in der er Verletzlichkeit spürte. Und Verwunderung, weil auch sie in dieser Welt über den Dächern bisher ohne Gefährten gewesen war. Dann kletterte sie seitlich der Gaube das Dach hinab und sprang, ohne zu zögern, durch das offene Fenster.
    Die Wohnung war leer. »Adèle ist tagsüber unten bei ihrer Tochter und deren Familie«, flüsterte Manon. Mazan nahm den Geruch einer alten Menschenfrau wahr, einen Duft von Lavendel und genussvoll verzehrten Früchten, von harter Arbeit, der Freude am Leben und der Süße der Erinnerungen. In diesen Geruch war untrennbar die Anwesenheit einer Katze verwoben.
    Sie fanden sie im Nebenzimmer, auf der Fensterbank, mit einem weichen Kissen unter dem Bauch. Mazan erkannte, dass sie fast blind war und ihn hauptsächlich mit ihren Schnurrhaaren und Nüstern wahrnahm.
    »Da bist du ja wieder, Manon«, begrüßte die alte Kätzin sie. »Und du hast mir auch den schwarzen Wanderer mitgebracht.«
    »Sein Name ist Commissaire Mazan, Morgaine«, purrte Manon, als sie sich an die Freundin schmiegte.
    Mazan setzte sich in respektvoller Entfernung auf die Fensterbank und ließ sich von Morgaine erwittern.
    »Commissaire Mazan«, wunderte sich Morgaine. »Weißt du denn, was dein Name bedeutet?«
    »Nein«, antwortete er. Musste ein Name denn etwas bedeuten?
    »Das heißt, dass du ein Polizist bist. Jemand, der die Bösen jagt und die Guten beschützt.«
    Das gefiel ihm.
    »Wir sind gekommen, weil wir deinen Rat brauchen«, sagte er. Er erzählte Morgaine von dem Mord an Julie, dem bösen Haus und was er dort gesehen hatte. Ihm entging nicht, dass Manon ein Zittern durchlief, als er von den dunklen Schwingen der unheimlichen Macht sprach. Er verstand ihre Furcht.
    »Es ist dennoch ein Mensch, davon bin ich überzeugt. Er hat Manon angegriffen und in die Regentonne geworfen«, fuhr er fort, »aber sie konnte ihn nicht erkennen.«
    Das jedenfalls hatte Manon ihm erzählt, als er sie gefragt hatte. Insgeheim aber glaubte er, dass die Kätzin sich nicht an den Mann erinnern wollte.
    »Stimmt das, meine Kleine?«, fragte Morgaine Manon, die sich furchtsam an ihre Freundin drängte.
    »Ja«, antwortete die Ingwerfarbene mit bebender Stimme.
    »Ganz ruhig«, sagte Morgaine. »Er wird dir nichts mehr tun.« Dann wandte sie sich an Mazan. »Nicht wahr, Commissaire?«
    Er hätte es ihr gern versprochen. Aber das konnte er nicht.
    »Wer ist dieser Mann, Morgaine?«, fragte er stattdessen.
    Die alte Katze ließ ihren getrübten Blick über die Dächer, Gärten und Gassen wandern. »Ich kann ihn fühlen«, sagte sie leise, »so wie ich den Vollmond spüre. Und ebenso wie der Mond nimmt auch seine Kraft zu und wieder ab. Du hast von den dunklen Schwingen gesprochen, die sehe ich auch, wenn er stark ist. Doch wenn seine Kraft nachlässt, ist er wie ein ganz normaler Mensch. Vielleicht würdest selbst du ihn dann nicht erkennen.« Sie wandte ihm ihren Kopf zu. »Obwohl du doch so tief blicken kannst.«
    Das würde erklären, warum er den Flügelmann in keinem der Männer aus dem Château wiedererkannt hatte. Er verbarg sich in der Seele wie in einer Höhle.
    »So einen Menschen habe ich noch nie zuvor getroffen«, sagte er nachdenklich.
    »Menschen sind viel komplizierter als Katzen«, sinnierte Morgaine. »Viele von ihnen tragen das Böse von Geburt an in sich. Doch meistens sind ihre anderen Kräfte stärker. Bei einigen gelingt das nicht immer. Sie tun böse Dinge, bereuen sie später aber wieder. Nur bei ganz wenigen durchdringt das Böse ihr ganzes Wesen. Eine solche Bosheit glaubt immer von sich, im Recht zu sein. Vielleicht ist er deswegen auch in diese Stadt gekommen.«
    »Wie meinst du das? Warum in diese?«, fragte Mazan erstaunt.
    »Wegen des Châteaus«, flüsterte Morgaine, während Manon sich eng an ihre Freundin kauerte.
    »Sag uns, was du darüber weißt«, bat Mazan die alte Kätzin.
    Morgaine erzählte, wie sie als Jungkatze ins Château gekommen war, vor über zwölf Sommern. »Es war ein stiller Ort mit vielen alten Menschen, die dort auf den Tod warteten. Doch eines Tages brachten sie die Alten fort, und danach wurde alles anders. Sie haben die Mauern aufgerissen und dabei, glaube ich, etwas zum Leben erweckt, was dort lange geruht hat.«
    »Aber was?«, fragte Mazan.
    »Den Geist eines mächtigen und grausamen Mannes. Die Menschen nannten ihn den Marquis, und seine Kraft lebt noch heute in diesem Haus. Wir Katzen können

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