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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Hände entgegen.
    »Man kriegt keine Herzattacke, wenn einen jemand an den Schultern fasst«, sagte sie ruhig, als sei dies ein ganz normales Gespräch beim Kaffee und der Morgenzeitung.
    »Möglicherweise doch, wenn man schon öfter mal Herzrhythmusstörungen [139]  hatte und regelmäßig Propafenon nehmen muss.«
    »Was ist das?«, fragte Paola.
    »Ein Herzmedikament.« Er ließ ihr etwas Zeit und fügte dann hinzu: »Wenn eine Person, die so etwas gegen Herzbeschwerden einnimmt, gepackt und herumgeschüttelt wird, könnte sie durchaus plötzlich Herzprobleme bekommen und das zu ihrem Tod führen. Aber Rizzardi hat auch Verletzungen an den Halswirbeln festgestellt.« Um den Anschein zu vermeiden, etwas suggerieren zu wollen, ergänzte er: »Sie ist gestürzt und hat sich am Kopf gestoßen. An der Heizung. Das könnte eine Erklärung sein.«
    »Könnte?«
    Er sah sie ruhig an und trank von seinem Kaffee. »Das Huhn oder das Ei«, entfuhr es ihm. Dann zögernd: »Ich denke, das Herzversagen. Das andere ist nur eine Möglichkeit, reine Spekulation.«
    »Deine oder seine?«, fragte sie.
    »Von uns beiden.«
    Paola nahm jetzt auch einen Schluck, schwenkte den Kaffee in der Tasse herum und trank den Rest aus. »Was sagt Patta?«
    Brunetti rang sich ein Lächeln ab. »Das Übliche. Er will die Sache abschließen, er ist entzückt, dass es eine naheliegende Erklärung gibt: Herzversagen. Damit ist der Fall für ihn erledigt.«
    »Aber für dich nicht?«, fragte sie.
    Jetzt spielte Brunetti an seiner Tasse herum. Er stand auf, schenkte sich den Rest ein, nahm Zucker und Milch und trank. »Ich weiß nicht. So direkt kann ich das nicht sagen. [140]  Aber irgendetwas beunruhigt mich. Wie es aussieht, hat sie Frauen Unterschlupf gewährt, die vor gewalttätigen Männern weggelaufen sind, und die Nonne in der casa di cura, wo sie gearbeitet hat, hielt sich sonderbar bedeckt.«
    »Guido«, sagte Paola mit unendlicher Langmut, »finde mir den Kleriker, der einem reinen Wein einschenkt.«
    »Also wirklich«, sagte er entrüstet. Dann etwas ruhiger: »Es gibt schon einige.«
    »Einige«, wiederholte sie.
    »Du hast ihnen noch nie getraut«, fügte er hinzu.
    »Natürlich traue ich ihnen nicht über den Weg. Vor allem aber befrage ich sie nicht in Situationen, wo ich sie regelrecht zum Lügen nötige: Ich frage sie nicht nach Verstorbenen und möglichen Todesursachen. Wenn ich sie bei meinen Eltern treffe, rede ich mit ihnen übers Wetter. Regen ist ein besonders faszinierendes Thema: zu viel oder zu wenig. Über derlei reden sie gern. Das ist unverfänglich.«
    »Und traust du ihnen, wenn sie übers Wetter reden?«, fragte er.
    »Nur wenn ich am Fenster stehe und nach draußen sehen kann«, antwortete sie, stand auf und sagte, sie müsse jetzt in die Uni.
    Nachdem sie gegangen war, warf Brunetti einen Blick in die Zeitung, die sie auf dem Küchentisch hatte liegenlassen, konnte sich aber nicht konzentrieren. Ihm ging nicht aus dem Kopf, was er Paola gerade anvertraut hatte: sein Bauchgefühl angesichts des Todes von Signora Altavilla: Die Nonne wusste mehr, als sie zugab, und er musste mehr über Alba Libera herausfinden.
    [141]  Er ging ins Wohnzimmer und wählte Signorina Elettras Büroanschluss. Dann aber fiel ihm ein, dass sie dienstags um diese Zeit immer auf dem Rialto-Markt war, um Blumen für Vice-Questore Pattas Büro und ihr eigenes zu kaufen. Er wählte ihre Handynummer. Sie meldete sich mit einem matten »Si, Commissario?«, und wieder einmal wurde Brunetti sich des unfairen psychologischen Vorteils bewusst, den derjenige hatte, der sehen konnte, wer ihn anrief.
    »Guten Morgen, Signorina«, sagte er höflich. »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
    »Gern, Signore, sobald ich im Büro bin.«
    »Ach, Sie sind nicht da?«, fragte er mit gespielter Überraschung.
    »Nein, Signore, ich bin auf dem Markt. Heute ist doch Dienstag.« Er war ihr Vorgesetzter; sie war nicht an ihrem Arbeitsplatz und würde auch erst frühestens in einer Stunde dort eintreffen. Wahrscheinlich hatte sie sich von einem Polizeiboot zum Blumenmarkt bringen lassen, zumindest aber würde sie sich von einem abholen und - zusammen mit den Blumen - zur Questura zurückbringen lassen: ein klarer Verstoß gegen die Vorschriften. Es war seine Pflicht, ihr einen Verweis zu erteilen und dafür zu sorgen, dass ein solcher Amtsmissbrauch sich nicht wiederholte.
    »Wenn ich in fünf Minuten da wäre - könnten Sie mich zur Questura mitnehmen?«, fragte

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