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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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auf uns lauert.
    »Oh, ein Freund von Costanza«, seufzte Signora Cannata.
    »Genauer gesagt von ihrem Sohn. Er hat mich gebeten, mit den Schwestern zu reden«, begann er wahrheitsgemäß und fuhr mit einer Lüge fort: »Er hat mich gebeten, dann auch gleich mit ein paar Leuten zu sprechen, die sie erwähnt hat, und ihnen zu sagen, dass sie sie sehr gern gehabt hat.«
    [167]  Signora Cannata führte die Hand zur Brust, als wolle sie fragen: »Wen? Meine Wenigkeit?«
    Brunetti schenkte ihr ein gütiges Lächeln. »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir Ihrerseits für ihren Sohn ein paar tröstliche Erinnerungen mit auf den Weg geben.«
    Der Mann erhob sich unvermittelt, als habe er dieses sentimentale Getue satt. Auch die Blonde stand auf und hakte sich bei ihm unter. »Wir gehen jetzt Kaffee trinken«, erklärte sie Brunetti oder Signora Cannata oder - wer weiß - den himmlischen Heerscharen. Er nickte Brunetti zwar zu, machte aber keinerlei Anstalten, ihm die Hand zu geben, sondern wandte sich wortlos ab, und die Frau mit ihm.
    Ohne die beiden zu beachten, fragte Brunetti: »Darf ich mich zu Ihnen setzen, Signora?« Als Signora Cannata lächelnd auf die freien Stühle zeigte, wählte er den links von ihr, auf dem vorher niemand gesessen hatte, und meinte, ebenfalls lächelnd: »Wie Sie sicher nachfühlen können, Signora, ist ihr Sohn sehr niedergeschlagen. Sie wissen ja, wie gut die beiden miteinander ausgekommen sind.«
    Signora Cannata nahm ihre Serviette - aus Stoff, nicht aus Papier, wie Brunetti bemerkte -, legte sie sorgsam zusammen und betupfte mit einer sauberen Stelle vorsichtig den linken, dann den rechten Augenwinkel. »Es ist schrecklich«, sagte sie. »Aber ich nehme an, ihr Sohn - er ist doch Arzt? - hat gewusst, dass sie nicht bei guter Gesundheit war.« Sie bog die Mundwinkel nach unten. »Es war doch ein Herzversagen. Nicht wahr?«
    »Ja, in der Tat. Wenigstens hat die Arme nicht leiden müssen«, sagte er, wobei er jenen pietätvollen Ton anschlug, den er aus seiner Kindheit kannte.
    [168]  »Dem Himmel sei Dank«, erwiderte sie. »Immerhin.« Unwillkürlich legte sie wieder die Hand auf ihre Brust, und diesmal hatte die Geste nichts Künstliches.
    »Ich weiß von ihrem Sohn, dass sie oft von Ihnen erzählt hat. Und dass sie Freude daran hatte, mit Ihnen zu sprechen.«
    »Oh, wie überaus schmeichelhaft«, sagte Signora Cannata. »Nicht dass ich viel zu erzählen hätte. Na ja, vielleicht, als ich jünger war und mein Mann noch lebte. Er war Steuerberater, müssen Sie wissen, und hat vielen wichtigen Leuten in der Stadt geholfen.«
    Brunetti stützte behaglich sein Kinn in die rechte Hand, als sei er bereit, sich den ganzen Nachmittag lang von den buchhalterischen Triumphen ihres Mannes erzählen zu lassen. Und Signora Cannata enttäuschte ihn nicht: Ihr Mann hatte im Lauf seines Berufslebens nicht nur den Eigentümer einer Schifffahrtsgesellschaft davor bewahrt, zu viel Steuern zu zahlen, sondern auch einem berühmten Chirurgen geholfen, ein privates Abrechnungssystem für ausländische Patienten einzurichten, und obwohl die ganze Sache mit den Computern erst spät in seinem Leben angefangen hatte, war es ihm gelungen, die komplette Buchhaltung seines Büros noch darauf umzustellen.
    Brunetti blieb die Höflichkeit in Person, nickte lächelnd zu jeder Großtat, die sie zu berichten hatte, und fragte sich, ob diese Frau jemals irgendwen in Gefahr hätte bringen können - außer sich selbst, wenn ihren Zuhörern die Geduldsschnur riss.
    »Und wie lange halten Sie sich hier schon auf, Signora?«, erkundigte er sich.
    [169]  Ihr Lächeln wurde gezwungener. »Vor ein paar Jahren habe ich erkannt, dass ich hier viel mehr Freiheit haben würde. In Gesellschaft von Leuten meines Alters. Nicht mit Leuten aus der Generation meines Sohnes, oder gar noch jüngeren. Sie wissen ja, wie das ist, wie gefühllos die sein können«, erklärte sie und machte große runde Augen, um Ehrlichkeit und Offenherzigkeit zu demonstrieren und vor allem ihre große menschliche Wärme. »Im Übrigen hat jeder gern Leute um sich, mit denen er seine Erinnerungen teilen kann.« Sie lächelte, und Brunetti nickte so heftig Zustimmung, dass er plötzlich wieder hellwach war.
    »Nun«, sagte er und erhob sich mit allen Anzeichen des Bedauerns. »Ich möchte Sie nicht länger aufhalten, Signora. Es war überaus großzügig von Ihnen, mir so viel Zeit zu widmen, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
    »Nun ja«, sagte sie

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