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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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über ihr Kinn und machte ihr Gesicht zu dem einer Holzpuppe, ein Eindruck, der durch ihren starren Blick und die seltsam runden blauen Augen noch verstärkt wurde.
    »Nein, Signora, das hat er nicht«, sagte Brunetti, der keine Ahnung hatte, von wem sie sprachen. »Ich möchte Ihnen nur sagen, dass Ihre Freundschaft Signora Altavilla viel bedeutet hat und dass sie Sie sehr gern gehabt hat: Deswegen bin ich jetzt bei Ihnen, deswegen war ich bei Signora Cannata.«
    Sie musste auf der anderen Seite der calle etwas Interessanteres erspäht haben, denn sie wandte sich wieder von ihm ab.
    [182]  Er wartete eine Weile, bevor er beiläufig bemerkte: »Sie haben ihr erzählt, was Sie getan haben«, wobei er bewusst offenließ, ob das als Frage oder Feststellung gemeint war.
    Seine Worte schienen für sie ein harter Schlag zu sein: Sie zog die Schultern hoch und nahm beide Fäuste vor die Brust, drehte sich aber nicht zu ihm um.
    In einem Ton, wie wenn man ein Kind beruhigt, fuhr Brunetti fort: »Ich glaube, es hilft, wenn wir jemandem erzählen können, was wir getan haben und warum wir es getan haben. Dann wird alles wieder gut.« Er kam sich vor, als bestelle er etwas von einer Speisekarte in einer fremden Sprache: Das eine oder andere Wort glaubte er wiederzuerkennen, aber er hatte keine Ahnung, was man ihm schließlich auftischen würde.
    »Unglück kommt«, sagte sie zu dem Fenster auf der anderen Seite der calle .
    Wie aufs Stichwort kam ein Mann zur Tür herein. Er war älter als sie, weit über achtzig, ein typischer Vertreter der Gattung, die man häufig in Bars antrifft: klein und untersetzt, die Nase aufgedunsen und krumm von jahrzehntelangem Saufen und Raufen. Sein schütteres, dunkelbraun gefärbtes Haar war von einem Ohr zum anderen sorgfältig über den Schädel gekämmt und mit einem schimmernden Gel angeklebt, so dass sein Kopf aussah wie frisch lackiert und mit dunklen Farbstreifen verziert.
    Kaum war er über die Schwelle, erblickte er Brunetti auf dem Stuhl neben der Tür und erschrak. »Wer sind Sie?«, fragte er wütend, als habe Brunetti ihn provoziert und wolle er sich das nicht länger gefallen lassen. Als Brunetti nicht sofort antwortete, ging der Mann auf ihn los und [183]  baute sich angriffsbereit vor ihm auf. »Ich habe gefragt, wer Sie sind.«
    Seine Nase und die geplatzten Äderchen auf seinen Wangen leuchteten rot, wie befeuert von seinem Zorn. »Was haben Sie hier zu suchen?«, fragte er und sah nach Signora Sartori, die unverwandt aus dem Fenster starrte. Der Anblick der Frau schien ihn zu besänftigen, aber da sie ihn ignorierte, trat er nicht näher, sondern wandte sich wieder Brunetti zu. »Haben Sie sie belästigt?«
    Brunetti erhob sich langsam und setzte eine erleichterte Miene auf. Er bückte sich und zupfte umständlich an seinen Hosenbeinen herum, bis auch das letzte Fältchen glattgezogen war. »Ah«, sagte er und legte die Erleichterung auch in seine Stimme, »wenn Sie der Mann der Signora sind, könnten Sie mir vielleicht Auskunft geben.«
    Der alte Mann reagierte gereizt. »Für wen halten Sie sich, dass Sie mir Fragen stellen? Was haben Sie hier verloren?« Da Brunetti schwieg, wiederholte er noch etwas aggressiver: »Haben Sie sie belästigt?« Er tat einen Schritt auf die Frau zu und stellte seinen stämmigen Körper zwischen sie und Brunetti.
    Brunetti zog sein Notizbuch aus der Tasche. »Ich habe lediglich versucht, eine Auskunft zu erhalten«, sagte er verdrießlich. »Aber mir wurde schnell klar, dass ich mich damit an jemand anderen wenden muss, Signore.« Er schürzte die Lippen und versuchte gar nicht erst, seine Verärgerung zu verbergen. »Es war nichts aus ihr herauszubekommen.« Der Mann warf ihm einen halb wütenden, halb traurigen Blick zu. Brunetti befeuchtete einen Finger, blätterte ein paar Seiten um und zeigte auf etwas, das er zur Vorbereitung auf [184]  einen Elternabend notiert hatte, der nächste Woche in Chiaras Schule stattfinden sollte: eine Liste ihrer Lehrer und der Fächer, die sie unterrichteten.
    »Ich brauche Informationen über die Jahre 1988 und 1989. Solange wir die nicht haben, können wir nichts unternehmen.«
    »Sie können sich Ihr 1988 an den Hut stecken, und 1989 dazu«, sagte der alte Mann, sichtlich zufrieden, wie er ihn abgefertigt hatte; zufrieden auch mit seiner raffinierten Formulierung.
    Brunetti tat überrascht und ein wenig entrüstet. Er sah den streitsüchtigen Alten lange an, als nehme er ihn erst jetzt richtig wahr. Er

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