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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Fall: vier, fünf Jahre war das her.
    »Sie sind zurückgekommen?«
    »Sie meinen: Damals, nachdem sie getötet wurde?«
    »Ja.«
    »Ja, ich bin zurückgekommen. Und habe beschlossen, zu bleiben und wenn möglich etwas auf die Beine zu stellen.«
    »Alba Libera?«, fragte er.
    Sie mochte Skepsis aus seiner Stimme heraushören und antwortete schnell: »Für die meisten dieser Frauen ist das wirklich eine Art Morgenröte.« Brunetti nickte, und sie fuhr fort: »Ich habe zwei Jahre gebraucht, um die Organisation [200]  aufzubauen. Da ich in Rom eine NGO gemanagt hatte, wusste ich, wie das geht und wie ich an die nötigen Genehmigungen und an staatliche Gelder herankommen konnte.«
    Ihm gefiel, dass sie »Gelder« sagte und auf die üblichen Euphemismen verzichtete. Und als sie jetzt von geschäftlichen Dingen sprach, war auch der gereizte Unterton aus ihrer Stimme verschwunden.
    »Sie hätte in eine andere Stadt ziehen sollen: Arbeit hätte sie überall gefunden«, sagte Maddalena Orsoni. »Die Gesetze boten ihr keinen Schutz, aber das mochte sie nicht glauben. Es gab keine Zuflucht, kein Haus, wo sie mit Leuten Zusammenleben konnte, die versucht hätten, sie zu beschützen.«
    Brunetti wusste nur zu gut, wie wenig Chancen ein Mensch in Gefahr auf Schutz durch den Staat hatte. Die gegenwärtige Regierung arbeitete mit Macht daran, das bestehende Zeugenschutzprogramm auszuhöhlen: Zu viele Leute sagten vor Gericht unangenehme Dinge über die Mafia aus. Diese Zeugen lieferten Informationen und verlangten dafür wenigstens Sicherheit. Wie sollte man da auch noch einer Frau Schutz gewähren, die dem Staat keine Gegenleistung anzubieten hatte?
    Vielleicht nahm auch sie die Entrüstung wahr, die sich in ihre Stimme schlich. »Lassen wir das. Jedenfalls wissen Sie jetzt, wie es zu Alba Libera kam. Wir haben eine Reihe von Häusern, die meisten davon draußen auf der terra ferma : Hier in der Stadt haben wir ein paar Leute, die den Frauen, die wir zu ihnen schicken, ein Zimmer überlassen und keine Fragen stellen.«
    »Sind sie in Venedig sicher?«
    [201]  »Sehr viel sicherer als da, wo sie herkommen.«
    »Immer? Kein Mensch findet sie?«
    »Es gibt Ausnahmen«, sagte Maddalena Orsoni und schob ihr Glas beiseite. »Voriges Jahr gab es in Treviso so einen Fall.«
    Brunetti kramte in seinem Gedächtnis, fand aber nichts. »Was ist passiert?«
    »Ihr Freund hatte herausgefunden, wo sie war - wir haben nie erfahren, wie ihm das gelungen ist und ging zu dem Haus, in dem sie lebte, und fragte nach ihr.«
    »Und weiter?«
    Ihre Züge wurden weich, anscheinend nahm die Geschichte keinen so dramatischen Verlauf. »Die alte Frau, bei der sie wohnte - sie ist fast neunzig sagte ihm, sie wisse gar nicht, wovon er rede, sie lebe allein, aber er mache ja einen recht netten Eindruck, ob er nicht einen Kaffee mit ihr trinken wolle. Dann führte sie ihn ins Wohnzimmer und ging erst einmal in die Küche.«
    Als sie Brunettis sorgenvolle Miene bemerkte, erklärte sie: »Die Frau ist mit allen Wassern gewaschen, sie hat mir erzählt, ihre Eltern hätten während des Kriegs einen jüdischen Freund bei sich versteckt, jahrelang. Da hat sie die Regeln her, nach denen ihre Gäste sich richten müssen.« Sie kam Brunettis Frage zuvor: »Keinerlei Dinge aus ihrem alten Leben, nicht einmal die Unterwäsche. Die gesamte Kleidung der Frauen bewahrt sie in ihren Schränken auf, vermischt mit ihren eigenen Sachen. Und wenn sie aus welchem Grund auch immer einmal aus der Wohnung gehen, müssen sie ihr Zimmer so zurücklassen, dass es unbewohnt aussieht.«
    »Für alle Fälle?«, fragte Brunetti.
    [202]  »Für alle Fälle.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie hielt sich so lange wie möglich mit Kaffeekochen auf und hörte ihn unterdessen in der Wohnung herumschleichen. Er ging auch ins Gästezimmer. Dann kam er in die Küche, sie gab ihm Kaffee und Kekse, erzählte ausführlich von ihren Enkeln, schwärmte ihm vor, er sei ja so ein gutaussehender junger Mann, und fragte, ob er verheiratet sei, worauf er sich bald verabschiedete.«
    »Und?«
    »Wir haben sie noch in derselben Nacht in eine andere Stadt gebracht.«
    »Verstehe«, sagte Brunetti. »Sie sind sehr gründlich.«
    »Anders geht es nicht. Manche dieser Männer sind ziemlich schlau. Und alle sind sie gewalttätig.«
    Brunetti war froh, dass sie an dieser Stelle nicht noch einmal auf ihre Schwester hinwies.
    »Und Signora Altavilla?«
    »Eine ihrer Kusinen hat ihr von uns erzählt. Wir haben uns

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