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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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blieb, waren so unauffällig wie auf dem von Signora Sartori: bescheidene Einzahlungen und Abhebungen und, seit dem Umzug, die Gemeinkosten für die Eigentumswohnung, die im Lauf der Jahre immer weiter gestiegen waren, sich mittlerweile auf über vierhundert Euro im Monat beliefen und daher kaum noch von Morandis kleiner Rente beglichen werden konnten.
    Seit Signora Sartori im Pflegeheim lebte, ging es auf Signor Morandis Konto anders zu. Einen Monat, bevor sie dort zum ersten Mal ihre Miete zahlen musste, waren auf sein Konto knapp viertausend Euro eingezahlt worden. Seitdem kam alle drei bis vier Monate ein Betrag zwischen vier- und fünftausend Euro hinzu, und jeden Monat wurden per Dauerauftrag über zwölfhundert Euro von seinem Konto an das Pflegeheim überwiesen.
    Das schien alles zu sein. Brunetti blätterte zurück, verglich ein paar Daten und stellte fest: Die Wohnung war zwar nach Morandis Renteneintritt gekauft worden, aber Signora Sartori hatte danach noch weiter im Krankenhaus gearbeitet. Unwahrscheinlich, dass Leute mit solchen Jobs, selbst wenn sie ihr Geld zusammenlegten, genug für den Erwerb [231]  einer Wohnung sparen konnten: Angesichts der fehlenden Hypothek und der geringen Entlohnung der einen, die noch arbeitete, war das nahezu unmöglich. Weder sein kurzes Gespräch mit Morandi noch der Inhalt dieser Papiere ergaben für Brunetti das Bild eines Mannes, dem man finanzielle Weitsicht unterstellen würde.
    Brunetti stand auf, ging ans Fenster und schaute auf die Fassaden hinaus. Dann starrte er die Wand an, überdachte das eben Gelesene und fragte sich, was Signorina Elettra daran für wichtig halten mochte. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass die Papiere alle Informationen enthielten, die sie gesammelt hatte: Etwas wegzulassen wäre - seltsam, dass ihm kein anderes Wort einfiel - Betrug. Er wartete, dass Vianello seine Betrachtungen beendete und sich zu den Papieren äußerte.
    Unterdessen dachte Brunetti über das Phänomen Ruhestand nach. In anderen Ländern, so hatte er gehört, träumten die Leute vom Ruhestand, weil sie dann in ein wärmeres Klima ziehen und ein neues Kapitel aufschlagen konnten: eine Sprache lernen, eine Tauchausrüstung kaufen, sich als Tierpräparator versuchen. Wie vollkommen fremd waren solche Wünsche innerhalb seiner eigenen Kultur. Die Leute, die er kannte, die Leute, die er sein Leben lang beobachtet hatte, wollten im Ruhestand nichts anderes, als sich noch genüsslicher in ihrer Häuslichkeit einrichten, die sie sich jahrzehntelang aufgebaut hatten, und nichts sollte sich an ihrem Leben ändern, außer dass sie nicht mehr jeden Morgen zur Arbeit mussten und vielleicht gelegentlich auf Reisen gehen konnten, aber nicht zu oft und nicht zu weit. Er kannte keinen Einzigen, der sich im Ruhestand ein neues [232]  Haus gekauft oder auch nur mit dem Gedanken gespielt hätte, woanders hinzuziehen. Genau das aber hatte Signor Morandi getan. Und dafür musste es einen Grund geben. Existierte womöglich noch ein zweiter Morandi? War Signorina Elettra ein Fehler unterlaufen? Ein Fehler? Wo dachte er hin? Brunetti nahm die Hand vor den Mund, als wolle er die unbedachte Vermutung zurücknehmen.
    »Warum hat er eine Wohnung gekauft?«, fragte Vianello in die Stille hinein.
    »Wovon hat er sie bezahlt?«, setzte Brunetti hinzu. »Von einer Hypothek steht hier nichts.«
    Vianello legte bedächtig eine Hand auf die Papiere. »Nichts hier drin lässt auf einen Mann schließen, der sein Leben lang für eine Eigentumswohnung gespart hat.«
    Brunetti rief Signorina Elettra an.
    » Si, Commissario?«, meldete sie sich.
    »Der Ispettore und ich wüssten gern, wovon Signor Morandi seine Wohnung bezahlt hat«, sagte er.
    Nach kurzem Überlegen fragte sie: »Haben Sie das Kaufdatum gesehen?«
    Brunetti klemmte den Hörer zwischen Schulter und Ohr, um mit beiden Händen in den Papieren blättern zu können. Er fand das Datum und sagte: »Das war drei Monate, nachdem er zu arbeiten aufgehört hat. Aber ich verstehe nicht, was daran wichtig sein könnte.«
    »Vielleicht sehen Sie einmal nach Madame Reynards Todesdatum«, schlug sie vor.
    Er fand die Kopie ihrer Sterbeurkunde und sah, dass Morandi die Wohnung exakt einen Monat nach ihrem Tod gekauft hatte. Er räusperte sich.
    [233]  Als er nichts weiter dazu bemerkte, fragte sie: »Ist Ihnen der Name der Person aufgefallen, die die Wohnung verkauft hat?«
    Er sah nach. »Matilda Querini.« Um Vianello nicht von dem Gespräch

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