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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nicht mehr getan. Der Blumenladen hatte geschlossen. Nachdem er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, Paola Blumen mitzubringen, ärgerte ihn das maßlos. Er stand vor dem Schaufenster und betrachtete die Schwertlilien, die er gekauft hätte: ein ganzer weißer Plastikeimer voll hinter dem leicht beschlagenen Glas, schön und umso begehrenswerter, als sie unerreichbar waren. »Typisch Mann«, brummte er und wandte sich in Richtung seiner calle . Immerhin war er pünktlich; ein kleiner Ersatz für die Blumen.
    Brunetti war kein gläubiger Mensch, zumindest nicht in dem Sinne, dass er an einen gütigen Gott glaubte, dem das Wohl und Wehe der Menschheit am Herzen lag. Als Polizist kannte Brunetti sich bestens damit aus und konnte nur hoffen, der Weltenlenker werde sich einer lohnenderen Spezies annehmen. Manchmal jedoch überfiel ihn von einem Moment auf den anderen ein Gefühl grenzenloser Dankbarkeit. Es kam jedes Mal absolut überraschend. An diesem Abend sprang es ihn auf der Treppe kurz vor seiner Wohnungstür an. Er war gesund, er hielt sich weder für verrückt noch für gewalttätig, er hatte eine Frau, die er abgöttisch liebte, und zwei Kinder, in die er jede Hoffnung auf Glück in diesem Leben investiert hatte. Unglück und Schmerz, Entbehrungen und Krankheit waren bis jetzt nicht in den Feuerkreis eingedrungen, den er sich gern als Schutz rund um seine Familie vorstellte. Aus einem Rest primitiven Aberglaubens [238]  heraus wollte er es lieber nicht verschreien: Auch wenn er wusste, dass nur ein Narr so denken konnte.
    Er schloss auf, hängte sein Jackett an den Haken links von der Tür und ging in die Küche. Tatsächlich: turbanti di soglie, Paola hatte nicht zu viel versprochen, wenn seine Nase ihn nicht trog. Sie stand am Tisch, die Hände neben einer aufgeschlagenen Zeitung aufgestützt, und las.
    Er trat hinter sie und küsste sie auf den Nacken, ohne dass sie ihm Beachtung schenkte. Dann zog er die Schranktür rechts von ihr auf und nahm zwei Gläser heraus. Er öffnete den Kühlschrank, nahm wieder einmal eine Flasche Moët aus dem Gemüsefach und dachte, was für ein Glück es war, mit einer Frau verheiratet zu sein, die auf so geschmackvolle Weise bestochen wurde. Er zog die Folie ab und drückte mit beiden Daumen von unten an den Korken, bis dieser mit einem Knall durch die Küche schoss. Nicht einmal davon ließ sie sich zu einer Bemerkung hinreißen.
    Er schenkte vorsichtig ein, wartete, bis die Bläschen sich gesetzt hatten, schenkte nach, wartete, schenkte noch einmal nach, verschloss die Flasche mit einem Plastikkorken und stellte sie in die Kühlschranktür. Er schob ihr ein Glas hin, bis es an den Rand der Zeitung stieß, dann nahm er sein Glas und stieß damit gegen ihres. »Cin, cin«, brummte er freundlich.
    Ohne ihn zu beachten, schlug sie die Seite um. Er hielt ihr Glas fest, das beim Umblättern etwas ins Rutschen gekommen war. »Wie warm wird einem Mann ums Herz, wenn er in den Schoß der Familie heimkehrt und zärtlich begrüßt wird«, sagte er und nippte an seinem Champagner. »Ah, diese Herzenswärme, dieses wohlige Gefühl von inniger [239]  Vertrautheit, das einem nur im Kreis seiner Liebsten zuteil wird.«
    Sie griff nach ihrem Glas und nahm einen Schluck. Was sie schmeckte, veranlasste sie nun endlich aufzusehen. »Schon wieder Moët?«, fragte sie.
    »Der Kandidat hat hundert Punkte«, verkündete er und nahm noch einen Schluck.
    »Ich dachte, den wollten wir uns für besondere Anlässe aufheben?«, meinte sie überrascht, aber durchaus nicht ungehalten.
    »Gäbe es einen besseren Anlass als den herzlichen Empfang, den meine liebevolle Gattin, verzehrt von der Glut rasender Leidenschaft, mir mit jener Freundlichkeit zuteil werden lässt, von der unser Zusammenleben seit über zwei Jahrzehnten geprägt ist?« Er setzte dabei ein möglichst idiotisches Grinsen auf.
    Sie stellte ihr Glas auf die Zeitung - mitten auf das Gesicht des Mannes, der gerade seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt bekanntgegeben hatte - und sagte: »Falls du dir auf dem Heimweg ein paar ombre genehmigt haben solltest, Guido, wäre es wirklich schade um den Champagner.«
    »Nein, mein Schatz. Ich bin nach Hause geeilt, beflügelt von der Sehnsucht nach deiner Lieblichkeit, an Einkehren war gar nicht zu denken.«
    Sie nahm noch einen Schluck und tippte mit dem Glas auf das Foto. »Ist das zu fassen? Der Mann will Kabinettsminister bleiben und gleichzeitig Bürgermeister sein.«
    »An welchen Tagen

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