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Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe

Titel: Commissario Brunettis zwanzigster Fall - Reiches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Bauern standen der Lega nahe, und die Lega gewann politisch zunehmend an Einfluss. Weiter konnte Brunetti mangels Phantasie den Gedankengängen Pattas nicht folgen.
    Patta klang alles andere als begeistert, als er schließlich sagte: »Ich werde den Richter um einen Beschluss bitten müssen.« Plötzlich huschte so etwas wie eine Eingebung über seine ansehnlichen Züge; konnte es wirklich sein, dass der Vice-Questore sich noch schnell die Krawatte zurechtrückte? »Ja, wir müssen dieser Sache auf den Grund gehen. Sagen Sie Signorina Elettra, worum genau ich ihn bitten soll. Ich erledige das dann.«
    Die Verwandlung war nahezu unmerklich vonstattengegangen. Brunetti dachte an eine Stelle bei Dante - im Fünfundzwanzigsten Gesang, wenn er nicht irrte -, wo Diebe zu Echsen werden und alsgleich die Echsen wieder zu Dieben: ein jäher Übergang, der mit dem bloßen Auge nicht zu erfassen ist. Eben noch das eine, jetzt das andere. Genau so war Patta von einem, der um jeden Preis den Frieden wahren [252]  will, zu einem anderen geworden, der unerbittlich nach Gerechtigkeit strebt, bereit, die Hüter der Ordnung auf die Suche nach der Wahrheit zu entsenden. Wie Dantes Sünder hatte er sich im Handumdrehen in sein Gegenteil verwandelt und war nicht wiederzuerkennen.
    »Dann spreche ich am besten jetzt gleich mit ihr, Signore?«, schlug Brunetti vor.
    »Tun Sie das«, ermunterte ihn Patta. »Sie wird wissen, welcher Richter am ehesten in Frage kommt. Einer von den jungen, nehme ich an.«
    Brunetti erhob sich und wünschte seinem Vorgesetzten einen guten Morgen.
    Signorina Elettra schien weder überrascht noch erfreut über den Kurswechsel ihres Chefs. »Es gibt da einen netten jungen Richter, den ich fragen kann«, sagte sie mit demselben durchtriebenen Lächeln, das sie auch einsetzen mochte, wenn sie den Metzger um ein fettes Hühnchen bat. »Er ist noch ziemlich unerfahren, also ist er bestimmt noch offen für ... Anregungen.« Nicht viel anders, dachte Brunetti, dürfte der Alte vom Berge von seinen Assassinen gesprochen haben, die er zu Raub und Totschlag entsandte.
    »Wie alt ist er?«, fragte Brunetti.
    »Er hat die dreißig noch nicht erreicht«, sagte sie, als sei diese Zahl ein Fremdwort für sie, dessen Bedeutung sie ungefähr zu wissen glaubte. Dann fragte sie wesentlich ernster: »Was genau wollen Sie von ihm?«
    »Zugang zu den Akten des Ospedale Civile aus der Zeit, als Madame Reynard dort Patientin war; eine Liste der Mitarbeiter aus dieser Zeit, falls es so etwas gibt; die Erlaubnis, [253]  mit Morandi und Signora Sartori zu sprechen; Steuerunterlagen der beiden und sämtliche Dokumente, die den Verkauf des Hauses von Cuccettis Frau an Morandi betreffen; Reynards Sterbeurkunde und Einsicht in das Testament, um festzustellen, wie viel sie ihm hinterlassen hat und ob es noch andere Begünstigte gab.« Das war fürs Erste mehr als genug.
    Sie notierte seine Wünsche, und als er fertig war, sah sie ihn an: »Einige dieser Informationen habe ich ja bereits, aber ich kann das Datum ändern, damit es so aussieht, als hätte ich die entsprechenden Anfragen erst nach der Genehmigung durch den Richter gestellt.« Sie tippte mit dem Ende ihres Bleistifts auf die Notizen. »Wahrscheinlich weiß er noch gar nicht, wie er das alles anfordern soll, aber ich könnte ihm ja ein paar hilfreiche Hinweise geben.«
    »Hinweise«, sagte Brunetti trocken.
    Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, hätte einen weniger gestandenen Mann in die Knie gezwungen. »Bitte, Commissario«, meinte sie nur und griff nach dem Telefon.
    Binnen weniger Minuten war die Sache erledigt; die Sekretärin des Richters, mit der Signorina Elettra wie mit einer alten Bekannten sprach, sicherte zu, den richterlichen Beschluss am nächsten Morgen in die Questura zu schicken. Brunetti verkniff es sich, nach dem Namen des Richters zu fragen; den würde er morgen noch früh genug aus den Papieren erfahren. Er staunte, wie schnell und effektiv man ihrer Bitte nachgekommen war, sagte sich dann aber, dass es im Justizwesen offenbar auch nicht anders zuging als in anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen. Einen Gefallen erwies man dem, dessen Bitte von einer raccomandazione begleitet wurde, und je mehr Einfluss derjenige hatte, [254]  von dem die Empfehlung kam, oder je besser sich die mit der Erledigung des Falls betrauten Mitarbeiter kannten, desto schneller wurde der Bitte entsprochen. Man braucht ein Krankenhausbett? Dann sollte man einen Cousin

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