Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
dachte eine Weile nach. Dann wandte er sich um und breitete die Arme aus.
»Wir tun folgendes: Sie schreiben mir zwei Berichte.«
»Zwei?!« rief Montalbano aus und dachte daran, wie schwer es ihm oft fiel, überhaupt etwas zu Papier zu bringen.
»Keine Widerrede. Den gefälschten halte ich schön für den unvermeidlichen Maulwurf bereit, der ihn der Presse oder der Mafia schon zuspielen wird. Der echte kommt in meinen Tresor.«
Er grinste. »Und was die Beförderung betrifft, die anscheinend das Allerschlimmste für Sie ist – kommen Sie doch Samstag abend zu mir nach Hause, dann reden wir in aller Ruhe darüber. Und wissen Sie was? Meine Frau hat ein köstliches Sößchen speziell für Meerbrassen kreiert.«
Cavaliere Gerlando Misuraca, der seine vierundachtzig Jahre kriegerisch zur Schau trug, blieb sich treu und fing sofort an zu streiten, kaum daß der Commissario »Pronto?« gesagt hatte.
»Wer ist dieser Trottel in der Vermittlung, der mich zu Ihnen durchgestellt hat?«
»Warum, was hat er denn getan?«
»Er hat meinen Namen nicht verstanden! Der ist ihm nicht in seinen Doofkopf reingegangen! Bisurata hat er mich genannt, wie das Magnesium!« Argwöhnisch hielt er inne und fuhr dann in einem anderen Ton fort.
»Garantieren Sie mir bei Ihrer Ehre, daß er nur ein armer Irrer ist?«
Davon war Montalbano überzeugt, denn er wußte, daß Catarella am Telefon gewesen war.
»Das kann ich Ihnen garantieren. Aber wozu brauchen Sie eine Garantie?«
»Falls er die Absicht hatte, sich über mich lustig zu machen oder sich über das lustig zu machen, was ich repräsentiere, komme ich in fünf Minuten ins Kommissariat und reiße ihm den Arsch auf, so wahr mir Gott helfe!«
Was repräsentiert der Cavaliere denn? fragte sich Montalbano, während der andere weiter schreckliche Drohungen ausstieß. Nichts, absolut nichts Offizielles, wenn man so sagen kann. Er war bei der Gemeinde angestellt gewesen und nun schon lange in Pension, bekleidete keine öffentlichen Ämter, noch hatte er je welche bekleidet, in seiner Partei war er einfaches Mitglied. Er war ein untadeliger Ehrenmann, lebte sehr bescheiden, fast ärmlich, und hatte sich nicht einmal zu Mussolinis Zeiten bereichern wollen, er war immer ein treuer gregario gewesen, wie es damals hieß, ein einfacher Soldat. Dafür hatte er ab 1935 alle Kriege mitgemacht und die schwersten Kämpfe erlebt, keinen einzigen hatte er verpaßt – er schien überall gleichzeitig sein zu können –, von Guadalajara in Spanien über Bir el Gobi in Nordafrika bis Axum in Äthiopien. Dann Gefangenschaft in Texas, Ablehnung der Kollaboration, infolgedessen verschärfte Haft bei Wasser und Brot. Er repräsentierte also, schloß Montalbano, die historische Erinnerung an historische Fehler, die er allerdings in naiver Treue miterlebt und für die er persönlich bezahlt hatte: Er hatte schlimme Verletzungen davongetragen und hinkte mit dem linken Bein.
»Wenn Sie dazu in der Lage gewesen wären, hätten Sie dann in Salò gekämpft, mit den Deutschen und den italienischen Faschisten?« hatte Montalbano ihn einmal hinterlistig gefragt; er mochte ihn auf seine Weise, ja, denn in diesem großen Kinofilm über Korrupte, Erpresser, Mittelsmänner, Schmiergeldzahler, Lügner, Diebe, Meineidige, zu dem täglich neue Sequenzen hinzukamen, empfand der Commissario seit einiger Zeit wachsende Zuneigung zu solchen Personen, die er als unheilbar aufrichtig kannte.
Bei dieser Frage hatte er gesehen, wie der Alte sich innerlich krümmte, sein Gesicht ganz faltig wurde, sein Blick trüb. Da hatte er verstanden, daß Misuraca sich diese Frage selbst schon tausendmal gestellt und nie eine Antwort gefunden hatte. Montalbano ließ es gut sein.
» Pronto? Sind Sie noch dran?« fragte Misuraca gereizt.
»Was kann ich für Sie tun, Cavaliere?«
»Mir ist gerade erst etwas eingefallen, weshalb ich es bei meiner Aussage noch nicht vorbringen konnte.«
»Cavaliere, ich habe keinen Grund, dies in Frage zu stellen. Ich höre.«
»Mir ist etwas Merkwürdiges passiert, als ich fast auf der Höhe des Supermarktes war, aber in dem Augenblick habe ich nicht weiter darauf geachtet, mir war gar nicht wohl, weil so Idioten unterwegs sind, die...«
»Sagen Sie mir doch einfach, was passiert ist.«
Wenn man ihn reden ließ, dann fing der Cavaliere womöglich bei der Gründung der faschistischen Kampfbünde an.
»Nicht am Telefon. Persönlich. Es ist ein dicker Hund, wenn ich recht gesehen habe.«
Der Alte galt
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