Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Pressekonferenz abzuhalten – es wußten ja sowieso schon alle alles –, und beschränkte sich auf einen ausführlichen Bericht.
In Unterhosen, eine große Flasche Bier in der Hand, genoß Montalbano zu Hause vor dem Fernseher Jacomuzzis Gesicht – immer in Großaufnahme. Er erklärte, wie seine Leute auf der Suche nach dem geringsten Hinweis, der Andeutung eines Fingerabdrucks, den Resten einer Fußspur, die Holzkonstruktion im Inneren der Grotte Stück für Stück zerlegten. Als die Grotte bloßlag und wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt war, machte der Kameramann von »Retelibera« einen langen, umfassenden Panoramaschwenk im Höhleninneren. Und genau während dieses Panoramaschwenks sah der Commissario etwas, das ihm nicht gefiel, ein flüchtiger Eindruck war es, mehr nicht. Aber nachgehen konnte er dem ja mal. Er rief bei »Retelibera« an und ließ sich mit seinem Freund, dem Journalisten Nicolò Zito, verbinden.
»Kein Problem, ich lasse es dir überspielen.«
»Aber ich habe kein Dings, du weißt schon, wie, zum Teufel, heißt das noch mal?«
»Dann komm, und schau es dir hier an.«
»Ginge es morgen vormittag gegen elf?«
»In Ordnung. Ich werde nicht da sein, aber ich sage den anderen Bescheid.«
Am nächsten Morgen um neun fuhr Montalbano nach Montelusa zum Büro der Partei, bei der Cavaliere Misuraca aktives Mitglied gewesen war. Das Schild neben dem Eingang wies darauf hin, daß man in den fünften Stock hinauf mußte. Gemeinerweise wies das Schild nicht darauf hin, daß man nur zu Fuß dorthin gelangen konnte, denn der Palazzo hatte keinen Aufzug. Nachdem Montalbano mindestens zehn Treppen hinter sich gebracht hatte, klopfte er ziemlich schwer atmend mehrmals an eine Tür, die hartnäckig geschlossen blieb. Er ging die Treppen wieder hinunter und trat durch das Tor. Direkt nebenan war ein Obst- und Gemüseladen, in dem ein alter Mann gerade einen Kunden bediente. Der Commissario wartete, bis der Verkäufer allein war.
»Kannten Sie Cavalier Misuraca?«
»Was geht Sie das an, wen ich kenne, oder wen ich nicht kenne?«
»Es geht mich was an. Ich bin von der Polizei.«
»In Ordnung. Ich bin Lenin.«
»Wollen Sie sich über mich lustig machen?«
»Überhaupt nicht. Ich heiße wirklich Lenin. Den Namen hat mir mein Vater gegeben, und ich bin stolz darauf. Oder gehören Sie etwa auch zu der Sorte Leute von nebenan?«
»Nein. Außerdem bin ich nur dienstlich hier. Also noch mal: Kannten Sie Cavalier Misuraca?«
»Natürlich habe ich ihn gekannt. Er hat seine Tage damit verbracht, durch diese Tür hinein- und wieder hinauszugehen und mich mit seiner Rostlaube zu ärgern.«
»Was hat er denn gemacht?«
»Was er gemacht hat? Er hat immer vor dem Laden geparkt, auch an dem Tag, an dem er mit dem Laster zusammengestoßen ist.«
»Hatte er direkt hier geparkt?«
»Rede ich etwa chinesisch? Genau hier. Ich bat ihn, seinen Cinquecento woanders hinzustellen, aber er fing sofort an zu streiten und schrie mich an, er könne seine Zeit nicht mit mir verschwenden. Da war ich wirklich sauer und habe ihn genauso angefegt. Na ja, jedenfalls wären wir beinahe aufeinander losgegangen. Zum Glück kam dann ein Junge vorbei, sagte zu dem seligen Cavaliere, er könne ihm das Auto ja wegfahren, und ließ sich den Schlüssel geben.«
»Wissen Sie, wo er es abgestellt hat?«
»Nein.«
»Würden Sie diesen Jungen wiedererkennen? Haben Sie ihn vorher schon mal gesehen?«
»Ab und zu habe ich gesehen, wie er durch die Tür nebenan gegangen ist. Wahrscheinlich gehört der auch zu dieser netten Gesellschaft.«
»Der Parteisekretär heißt Biraghìn, nicht wahr?«
»Ja, soviel ich weiß. Er arbeitet im Amt für Sozialwohnungsbau. Er stammt aus der Gegend von Venedig, um diese Zeit ist er im Büro. Hier machen sie erst gegen sechs auf, es ist noch zu früh.«
»Dottor Biraghìn? Hier ist Commissario Montalbano aus Vigàta, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie im Büro störe.«
»Aber ich bitte Sie, womit kann ich dienen?«
»Vielleicht können Sie mir mit ihrem Gedächtnis helfen. Die letzte Parteisitzung, an der der arme Cavalier Misuraca teilgenommen hat, was für eine Art Sitzung war das?«
»Ich verstehe Ihre Frage nicht.«
»Ich bitte Sie, Sie brauchen sich nicht aufzuregen, eine reine Routineuntersuchung, um die Umstände von Misuracas Tod zu klären.«
»Warum, ist irgendwas unklar?«
Eine ziemliche Nervensäge, der Dottor Ferdinando Biraghìn. »Alles sonnenklar, das kann ich Ihnen
Weitere Kostenlose Bücher