Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
die Arme ausgestreckt, mit den Händen an der Wand ab, er preßte sich von hinten an sie. Im Schein der Taschenlampe wirkten sie wie wunderschöne Statuen. Der Commissario spürte, wie ihm die Schamröte ins Gesicht stieg, und während er die Taschenlampe ausschaltete und den Rückzug antrat, murmelte er linkisch: »Entschuldigt bitte... Ich habe mich geirrt... Laßt euch Zeit.« Es dauerte keine Minute, bis sie herauskamen, Jeans und T-Shirt sind schnell übergestreift. Es tat Montalbano aufrichtig leid, daß er sie gestört hatte, diese beiden weihten auf ihre Weise die Höhle wieder ein, jetzt, wo sie kein todbringendes Depot mehr war. Der Junge ging mit gesenktem Kopf, Hände in den Hosentaschen, an ihm vorbei, sie dagegen sah ihn kurz mit einem leisen Lächeln und einem amüsierten Blitzen in den Augen an.
Der Commissario fand bereits nach einer raschen, oberflächlichen Erkundung bestätigt, daß das, was ihm in dem Video aufgefallen war, dem entsprach, was er an Ort und Stelle sah: Während die Seitenwände relativ glatt und kompakt waren, wies der untere Teil der hinteren, also der dem Eingang gegenüberliegenden Wand Unebenheiten, Vorsprünge und Vertiefungen auf; auf den ersten Blick wirkte sie grob behauen. Aber sie war nicht behauen, sondern bestand aus Steinen, die aufeinander und nebeneinander lagen. Die Zeit hatte dann dafür gesorgt, sie zusammenwachsen zu lassen, zu zementieren, mit Staub, Erde, Nässe und Salpeter der Umgebung anzupassen, bis die plumpe Mauer zu einer fast natürlichen Wand verformt war. Er sah sich alles genau an, untersuchte Zentimeter für Zentimeter, und am Ende hatte er keinen Zweifel mehr: Hinten in der Höhle mußte es eine Öffnung von mindestens einem mal einem Meter geben, die bestimmt nicht erst in den letzten Jahren zugemauert worden war.
»Jacomuzzi? Hier ist Montalbano. Du mußt unbedingt...«
»Könnte man vielleicht erfahren, wo du dich wieder rumgetrieben hast? Den ganzen Vormittag habe ich damit verbracht, dich zu suchen!«
»Schon gut, jetzt bin ich ja da.«
»Ich habe ein Stück Karton gefunden, wie von einem Paket oder vielmehr von einer großen Speditionskiste.«
»Ich hab' mal einen roten Knopf gefunden, aber erzähl's nicht weiter.«
»Mein Gott, bist du blöd! Jetzt sag' ich gar nichts mehr.«
»Ach komm, Mamas Liebling braucht nicht gleich beleidigt zu sein.«
»Also, auf diesem Stück Karton sind Buchstaben aufgedruckt. Ich habe es unter dem Fußboden gefunden, der in der Grotte war, es muß durch ein Interstitium zwischen den Brettern gerutscht sein.«
»Wie heißt das Wort, das du eben gesagt hast?«
»Fußboden?«
»Nein, danach.«
»Interstitium?«
»Ja. Gesù, bist du gebildet, wie toll du dich ausdrückst! Und sonst habt ihr nichts gefunden unter dem Ding, was du sagst?«
»Doch. Verrostete Nägel, einen Knopf, aber der ist schwarz, einen Bleistiftstummel und Papierfetzen, aber weißt du, die sind von der Feuchtigkeit ganz aufgelöst. Das Stück Karton ist noch in gutem Zustand, weil es offenbar erst seit wenigen Tagen da lag.«
»Das brauche ich. Sag mal, habt ihr ein Echolot und jemanden, der damit umgehen kann?«
»Ja, wir haben es erst vor einer Woche in Misilmesi benutzt, da haben wir drei Tote gesucht und tatsächlich gefunden.«
»Kannst du es mir gegen fünf nach Vigàta bringen lassen?«
»Spinnst du? Es ist halb fünf! Sagen wir, in zwei Stunden. Ich komme selbst und bringe dir den Karton. Aber wozu brauchst du es denn?«
»Um deinen süßen Hintern auszuloten.«
»Preside Burgio ist drüben. Er fragt, ob Sie Zeit haben, er muß Ihnen etwas sagen, es dauert nur fünf Minuten.«
»Laß ihn rein.«
Preside Burgio war schon seit zehn Jahren in Pension, aber alle im Dorf nannten ihn noch so, weil er über dreißig Jahre lang Preside, Rektor, der Handelsschule in Vigàta gewesen war. Er und Montalbano kannten sich gut, der Preside war ein hochgebildeter Mann, der trotz seines Alters ein reges Interesse an allen Fragen des Lebens hatte. Montalbano und er waren schon so manches Mal gemeinsam die Mole entlanggewandert. Er ging ihm entgegen.
»Wie schön, Sie zu sehen! Bitte, setzen Sie sich doch.«
»Ich war gerade in der Gegend und wollte mal schauen, ob Sie da sind. Wenn Sie nicht im Büro gewesen wären, hätte ich Sie später angerufen.«
»Was gibt es denn?«
»Ich kann Ihnen etwas über die Grotte erzählen, in der Sie die Waffen gefunden haben. Ich weiß nicht, ob es von Bedeutung ist, aber...«
»Sie scherzen
Weitere Kostenlose Bücher