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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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zu wissen, weil ich die Hundestatue schon einmal gesehen hatte.«
    Der Hund! Deswegen war er in seinem Alptraum vorgekommen, der Preside hatte ihn ja am Telefon erwähnt. Ein Gefühl kindlicher Dankbarkeit ergriff ihn.
    »Möchten Sie einen Kaffee, ja, einen Kaffee? In der Bar nebenan ist er sehr gut.«
    Die beiden schüttelten gleichzeitig den Kopf. »Limonade? Cola? Bier?«
    Er war kurz davor, ihnen zehntausend Lire pro Kopf anzubieten, sollten sie nicht zu irgendwas ja sagen.
    »Nein, danke, das ist nichts für uns. Das Alter...«, sagte der Preside.
    »Dann sprechen Sie bitte.«
    »Der Ragioniere soll erzählen.«
    »Von Februar 1941 bis Juli 1943«, fing Burruano an, »war ich, noch sehr jung, Bürgermeister von Vigàta. Sei es, weil dem Faschismus die Jugend schmeckte – jedenfalls hat er sie alle verschlungen, gegrillt oder tiefgefroren –, sei es, weil es im Dorf nur noch Alte, Frauen und Kinder gab, alle anderen waren an der Front. Da konnte ich nicht hin, weil ich schwach auf der Brust war, was auch wirklich stimmte.«
    »Und ich war zu jung, um an die Front zu gehen«, warf der Preside ein, um eventuellen Mißverständnissen vorzubeugen.
    »Es war eine schreckliche Zeit. Die Engländer und die Amerikaner bombardierten uns täglich. Einmal habe ich zehn Bombenangriffe in sechsunddreißig Stunden gezählt. Kaum jemand war im Dorf zurückgeblieben, die meisten waren geflohen, wir lebten in Verstecken, die wir in den Mergelhügel oberhalb des Dorfes gegraben hatten. Eigentlich waren es Schächte mit zwei Ausgängen, die guten Schutz boten. Wir hatten sogar Betten hineingestellt. Jetzt ist Vigàta gewachsen, es ist nicht mehr wie damals, ein paar Häuser um den Hafen, eine Häuserzeile zwischen dem Fuß des Hügels und dem Meer. Oben auf dem Hügel, dem Piano Lanterna, der heute mit seinen Wolkenkratzern wie New York aussieht, standen ein paar Häuser an der einzigen Straße, die zum Friedhof führte und sich dann in der Landschaft verlor. Drei Ziele hatten die feindlichen Flieger: das Elektrizitätswerk, den Hafen mit seinen Kriegs- und Handelsschiffen, die Luftabwehr- und Küstenbatterien, die auf dem Kamm der Anhöhe standen. Mit den Engländern war es nicht so schlimm wie mit den Amerikanern.«
    Montalbano wurde ungeduldig, er wollte endlich zum Thema kommen, zu dem Hund, aber den Ragioniere auch nicht in seinen Abschweifungen unterbrechen.
    »Inwiefern ging es besser, Ragioniere? Bomben sind doch Bomben.«
    Burruano schwieg, er hing wohl irgendeiner Erinnerung nach, und der Preside sprach an seiner Stelle. »Die Engländer waren, wie soll ich sagen, fairer, sie bemühten sich, mit ihren Bomben nur militärische Ziele zu treffen, aber die Amerikaner bombardierten uns hemmungslos, wie es gerade kam.«
    »Gegen Ende 42«, fuhr Burruano fort, »wurde die Lage immer schwieriger. Es mangelte an allem, von Brot über Medikamente bis hin zu Wasser und Kleidung. Da kam ich auf die Idee, für Weihnachten eine Krippe zu machen, vor der wir uns versammeln und beten könnten. Wir hatten sonst nichts. Aber ich wollte eine besondere Krippe. Ich nahm mir also vor, den Vigatèsi wenigstens für ein paar Tage ihre vielen Sorgen und die Angst vor den Bomben wenn auch nur ein bißchen zu nehmen. Jede Familie hatte mindestens einen Mann draußen im Krieg, im eisigen Rußland oder in der Hölle Afrikas. Alle waren wir nervös, unzugänglich, reizbar geworden, beim geringsten Anlaß gab es Streit, unsere Nerven waren sehr angespannt. Nachts taten wir kein Auge zu bei dem dauernden Flakfeuer, den explodierenden Bomben, dem Lärm der Tiefflieger, dem Kanonendonner von den Schiffen. Und alle kamen immer zu mir oder zum Pfarrer, weil sie mal das, mal jenes brauchten, und ich wußte gar nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Ich fühlte mich überhaupt nicht mehr jung, was ich ja eigentlich war, ich fühlte mich damals so, wie ich jetzt bin.«
    Er hielt inne, um Atem zu schöpfen. Weder Montalbano noch der Preside mochten diese Pause füllen.
    »Langer Rede kurzer Sinn, ich sprach also mit Ballassàro Chiarenza, der wirklich ein Töpferkünstler war, er machte es aus reinem Vergnügen, denn von Berufs wegen war er eigentlich Fuhrmann. Und der hatte die Idee, die Figuren in Lebensgröße zu bauen: das Jesuskind, Maria, Joseph, Ochs und Esel, einen Schäfer mit einem Lämmchen auf den Schultern, ein Schaf, einen Hund und einen erschrockenen Hirten, der staunend die Arme hebt und der in keiner Krippe fehlen darf. Er baute sie, und sie

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