Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
die Inschrift »Vittorio Emanuele III Re d'Italia«, auf der anderen eine Ähre mit der Aufschrift »c 5«, fünf Centesimi; die zweite war ebenfalls aus Kupfer, ein bißchen größer, auf einer Seite wie üblich der Kopf des Königs mit derselben Inschrift, auf der anderen eine Biene, die auf einer Blüte saß, der Buchstabe »c« und die Zahl »10«, zehn Centesimi, aus dem Jahr 1936; die dritte war eine Aluminiumlegierung, auf der einen Seite das unvermeidliche Gesicht des Königs mit der Inschrift, auf der anderen ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln, hinter dem ein Liktorenbündel zu erkennen war. Auf dieser Seite gab es vier Aufschriften: »L 1«, also 1 Lira, »ITALIA«, also Italien, »1942«, das Jahr der Prägung, und »XX«, was zwanzigstes Jahr der faschistischen Ära bedeutete. Als Montalbano sich diese Münze ansah, fiel ihm ein, was er gesehen hatte, als er sich vor der Buchhandlung bückte, um das Buch aufzuheben, das ihm heruntergefallen war. Er hatte das Schaufenster des Ladens nebenan gesehen, in dem antike Münzen ausgestellt waren.
Er stand auf, sagte Catarella Bescheid, daß er weggehe, aber spätestens in einer halben Stunde wieder zurück sei, und ging zu Fuß zu dem Laden. Er hieß Cose, Dinge, und Dinge hatte er im Schaufenster: Wüstenrosen, Briefmarken, Kerzenleuchter, Ringe, Broschen, Münzen, Edelsteine. Er trat ein, und ein hübsches, gepflegtes Mädchen empfing ihn mit einem Lächeln. Er bedauerte es, daß er sie enttäuschen mußte, und erklärte, er wolle nichts kaufen, sondern habe die Münzen im Schaufenster gesehen und wolle wissen, ob es hier im Laden oder in Vigàta jemanden gebe, der etwas von Numismatik verstehe.
»Klar gibt es da jemanden«, sagte das Mädchen und lächelte immer noch, daß es eine Wonne war. »Meinen Großvater.«
»Wo kann ich ihn stören?«
»Sie stören ihn überhaupt nicht, er wird sich freuen. Er ist hinten im Zimmer, ich sage ihm schnell Bescheid.«
Montalbano hatte nicht mal die Zeit, sich eine Pistole ohne Abzugshahn vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts anzuschauen, da war sie schon zurück.
»Bitte, kommen Sie.«
Das Hinterzimmer war eine herrliche Rumpelkammer mit Trichtergrammophonen, vorsintflutlichen Nähmaschinen, Vervielfältigungsapparaten, Bildern, Stichen, Nachttöpfen, Pfeifen. Und überall Bücherregale, auf denen wild durcheinander Inkunabeln, Lampenschirme, pergamentgebundene Bücher, Schirme und Klappzylinder lagen. Mittendrin stand ein Schreibtisch, an dem ein alter Mann saß; eine Jugendstillampe diente ihm als Lichtquelle. Mit einer Pinzette hielt er eine Briefmarke, die er durch ein Vergrößerungsglas untersuchte.
»Was wollen Sie?« fragte er unfreundlich und sah nicht mal auf.
Montalbano legte die drei Münzen vor ihn hin. Der Alte sah kurz von seiner Briefmarke auf und warf einen achtlosen Blick auf die Münzen.
»Wertlos.«
So griesgrämig wie der hier war von den Alten, die Montalbano im Lauf seiner Ermittlungen über die Toten vom Crasticeddru bisher kennengelernt hatte, noch keiner gewesen.
Man müßte sie alle in einem Altersheim versammeln, dachte der Commissario, dann ginge es mit dem Befragen schneller.
»Ich weiß, daß sie wertlos sind.«
»Was wollen Sie dann wissen?«
»Wann sie aus dem Umlauf genommen wurden.«
»Denken Sie mal nach.«
»Als die Republik ausgerufen wurde?« fragte Montalbano auf gut Glück.
Er kam sich vor wie ein Schüler, der unvorbereitet in eine Prüfung gegangen war. Der Alte lachte, und sein Lachen klang wie das Scheppern von zwei leeren Blechbüchsen, die aneinanderstießen.
»War das falsch?«
»Allerdings, und wie. Die Amerikaner landeten hier bei uns in der Nacht vom neunten auf den zehnten Juli 1943. Diese Münzen wurden im Oktober desselben Jahres aus dem Umlauf genommen. Sie wurden durch die amlire ersetzt, das Papiergeld, das die Amgot, die Alliierte Militärverwaltung der besetzten Gebiete, drucken ließ. Und weil es Banknoten zu einer, fünf und zehn Lire waren, wurden die Centesimi außer Kurs gesetzt.«
Als Fazio und Galluzzo zurückkamen, war es schon dunkel, und der Commissario schimpfte.
»All'anima! Ihr habt euch ja ganz schön Zeit gelassen!«
»Wie bitte?« wehrte sich Fazio. »Sie kennen den Tenente doch! Er hat den Toten erst angefaßt, als der Giudice und Dottor Pasquano endlich da waren. Die haben sich Zeit gelassen!«
»Und?«
»Die Leiche war taufrisch. Pasquano hat gesagt, vom Mord bis zu dem Anruf wäre nicht mal eine Stunde vergangen. Der
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