Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
kamen zwei Krankenschwestern, die ihn wuschen und seinen Verband wechselten. Um sieben erschien, gefolgt von fünf Assistenzärzten, der Chefarzt, alle im weißen Kittel. Der Chefarzt studierte die Krankenkarte, die am Fuß des Bettes hing, schlug die Decke auf und betastete seine verletzte Seite.
»Das macht sich ja schon sehr gut«, lautete sein Urteil. »Die Operation war erfolgreich.«
Operation? Von welcher Operation redete er? Ach ja, wahrscheinlich haben sie die Kugel rausgeholt, die ihn verletzt hatte. Aber die Kugel aus einer Maschinenpistole blieb eigentlich nicht stecken, sondern durchschlug den Körper. Er wollte fragen, um Erklärungen bitten, brachte aber keinen Ton heraus. Doch der Chefarzt sah seinen Blick, sah die Fragen, die in Montalbanos Augen lagen.
»Wir mußten Sie notoperieren. Die Kugel hat den Dickdarm durchschlagen.«
Den Dickdarm? Was, zum Teufel, hatte der Dickdarm in seiner Seite verloren? Der Dickdarm hatte doch nichts mit den Seiten zu tun, der gehörte in den Bauch. Aber wenn er etwas mit dem Bauch zu tun hatte, bedeutete dies etwa – sogar die Ärzte bemerkten, wie sehr es ihn schauderte –, daß er ab sofort für den Rest seines Lebens Breichen essen mußte?
»...Breichen?« brachte Montalbano schließlich heraus – dieser grauenhafte Gedanke hatte seine Stimmbänder reaktiviert.
»Was hat er gerade gesagt?« fragte der Chefarzt seine Kollegen.
»Ich glaube, er hat ‚Eichen’ gesagt«, meinte einer.
»Nein, nein, er hat ‚Leichen’ gesagt«, mischte sich ein anderer ein.
Noch beim Hinausgehen erörterten sie die Frage.
Um halb neun ging die Tür auf, und Catarella kam herein. »Dottori, wie fühlen Sie sich?«
Wenn es auf der Welt einen Menschen gab, mit dem Montalbano ein Gespräch für völlig überflüssig hielt, dann war das Catarella. Er gab keine Antwort, bewegte nur den Kopf, wie um zu sagen, daß es gar nicht schlimmer sein könne.
»Ich bin als Wachtposten hier und muß Sie bewachen. Dieses Krankenhaus ist wie ein Hafen, da geht's dauernd rein und raus. Es könnte ja sein, daß einer kommt, der was Böses vorhat und die Sache fertig machen will. Hab' ich mich verständlich ausgedrückt?«
Das hatte er. »Wissen Sie eigentlich, Dottori, daß ich mein Blut für Sie gespendet habe?«
Er bezog wieder seinen Wachtposten, um ihn zu bewachen. Voller Bitterkeit dachte Montalbano daran, daß ihn düstere Jahre erwarteten, wenn er mit Catarellas Blut leben und Griesbrei essen mußte.
Die ersten von ungezählten Küssen, die er im Lauf des Tages noch bekommen sollte, gab ihm Fazio.
»Wußten Sie, Dutturi, daß Sie wie ein junger Gott schießen? Einen haben Sie mit einem einzigen Schuß am Hals erwischt, den anderen haben Sie verletzt.«
»Den anderen habe ich auch getroffen?«
» Sissignore, wir wissen zwar nicht wo, aber getroffen haben Sie ihn. Das hat Dottor Jacomuzzi festgestellt, zehn Meter von den Autos entfernt war eine rote Pfütze, das war Blut.«
»Habt ihr den Toten identifiziert?«
»Klar.«
Er fischte einen Zettel aus der Jackentasche und las vor. »Munafò Gerlando, geboren in Montelusa am sechsten September 1970, ledig, wohnhaft in Montelusa, Via Crispi 43, keine besonderen Kennzeichen.«
Er sollte sich wirklich ins Standesamt versetzen lassen! dachte Montalbano.
»War er mit dem Gesetz in Konflikt?«
»Nein, absolut nichts. Keine Vorstrafen.«
Fazio steckte den Zettel wieder ein. »Die kriegen doch höchstens eine halbe Million für so was.« Er schwieg, offensichtlich wollte er ihm etwas sagen, aber es fehlte ihm der Mut dazu. Montalbano kam ihm zu Hilfe.
»War Gegè sofort tot?«
»Er hat nicht gelitten. Die Garbe hat ihm den halben Kopf weggerissen.«
Die anderen besuchten ihn auch. Es gab jede Menge Küsse und Umarmungen.
Aus Montelusa kamen Jacomuzzi und Dottor Pasquano. »Du stehst in allen Zeitungen«, sagte Jacomuzzi. Er war ergriffen, aber auch ein bißchen neidisch.
»Ich habe es wirklich bedauert, daß ich Sie nicht obduzieren konnte«, sagte Pasquano. »Ich wüßte zu gern, wie es bei Ihnen drin aussieht.«
»Ich war als erster zur Stelle«, sagte Mimì Augello. »Als ich dich in diesem Zustand und in dieser schrecklichen Situation gesehen habe, da bin ich so erschrocken, daß ich fast in die Hose gemacht hätte.«
»Wie hast du es erfahren?«
»Ein anonymer Anrufer hat sich im Büro gemeldet und gesagt, an der Scala dei Turchi sei eine Schießerei. Galluzzo hatte Dienst, er hat mich sofort angerufen. Und er hat mir
Weitere Kostenlose Bücher