Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
der ersten Kreuzung bog Montalbano, anstatt nach rechts zu fahren, links ab; Livia merkte es sofort, und der Commissario war zu einem schwierigen Wendemanöver gezwungen. An der nächsten Kreuzung – vielleicht um den ersten Fehler auszugleichen – machte Montalbano es genau andersherum, anstatt nach links zu fahren, bog er rechts ab, ohne daß Livia, die in einem fort redete, es merkte. Sie staunten nicht schlecht, als sie plötzlich wieder in Mazara waren. Livia war stinksauer.
»Jetzt reicht's mir langsam!«
»Du hättest es ja auch merken können!«
»Du bist unfair! Bevor wir aus Vigàta abgefahren sind, hast du mir versprochen, deine Gedanken zu Hause zu lassen, und jetzt hängst du wieder nur deinen Geschichten nach. Und red ja nicht sizilianisch mit mir!«
»Es tut mir ja leid.«
Die nächste halbe Stunde fuhr er sehr aufmerksam, aber dann schlichen sich seine Gedanken klammheimlich wieder ein: Der Hund paßte, die Schale mit den Münzen paßte, der Krug nicht. Warum nicht?
Er konnte nicht mal ansatzweise über eine Hypothese nachdenken, denn die Scheinwerfer eines Lastwagens blendeten ihn; er begriff, daß er zu weit in der Straßenmitte fuhr und ein möglicher Zusammenstoß katastrophal wäre. Betäubt von Livias Schrei und dem wütenden Hupen des Lastwagens, riß er hastig das Steuer herum. Sie holperten auf einem frisch gepflügten Acker herum, dann blieb das Auto im Graben liegen. Sie redeten nicht, sie hatten nichts zu sagen, Livia atmete schwer. Montalbano grauste es vor dem, was gleich kommen würde, sobald seine Freundin sich ein bißchen erholt hatte. Feige appellierte er vorsorglich an ihr Mitleid.
»Weißt du, ich wollte es dir erst nicht sagen, damit du dir keine Sorgen machst, aber nach dem Mittagessen ging es mir gar nicht gut...«
Dann entwickelte sich die Geschichte zu einem Mittelding zwischen Tragödie und Dick-und-Doof-Film. Das Auto rührte sich nicht vom Fleck, Livia hüllte sich in verächtliches Schweigen, Montalbano gab es irgendwann auf, aus dem Graben herauszukommen, weil er fürchtete, den Motor zu ruinieren. Er hängte sich das Gepäck um den Hals, Livia folgte ihm mit ein paar Schritten Abstand. Ein Autofahrer hatte Mitleid mit den beiden Trauergestalten am Straßenrand und brachte sie nach Marsala. Montalbano ließ Livia im Hotel, ging ins Kommissariat, wies sich aus und weckte mit Hilfe eines Kollegen jemanden auf, der einen Abschleppwagen hatte. Es war vier Uhr morgens, als er endlich soweit war und sich neben Livia ins Bett legte, die sich im Schlaf hin- und herwarf.
Zweiundzwanzig
Damit sie ihm verzieh, nahm Montalbano sich vor, liebevoll und gehorsam zu sein und geduldig zu lächeln. Es gelang ihm auch, und Livias gute Laune kehrte zurück, sie fand Mozia bezaubernd, staunte über die Straße knapp unter dem Wasserspiegel, die die Insel mit der gegenüberliegenden Küste verband, und war ganz hingerissen vom Mosaikboden in einer Villa, der aus weißen und schwarzen Flußkieseln gefügt war.
»Das hier ist das Tophet«, sagte der Führer, »das heilige Areal der Phönizier. Es gab keine Gebäude, die Riten wurden unter freiem Himmel abgehalten.«
»Die üblichen Opfer für die Götter?« erkundigte sich Livia.
»Für den Gott«, korrigierte der Führer, »den Gott Baal Hammon. Sie opferten ihm den Erstgeborenen. Sie erwürgten und verbrannten ihn und taten seine Überreste in ein Gefäß, das sie in die Erde steckten, und daneben errichteten sie eine Stele. Über siebenhundert hat man hier gefunden.«
» Oddio! « rief Livia aus. » Signora mia, hier ging es den Kindern gar nicht gut. Als Admiral Leptines im Auftrag von Dionysios von Syrakus die Insel eroberte, schnitten die Moziani, bevor sie sich ergaben, ihren Kindern die Kehle durch. Es war das Schicksal der Kinder von Mozia, daß sie auf jeden Fall das Nachsehen hatten.«
»Komm, wir gehen«, sagte Livia, »ich will von diesen Leuten nichts mehr hören.«
Sie beschlossen, nach Pantelleria zu fahren, und dort verbrachten sie sechs Tage, endlich ohne Diskussionen und Streitereien. Es war der rechte Ort dafür, daß Livia eines Nachts fragte: »Warum heiraten wir nicht?«
»Tja, warum nicht?«
Vorsichtshalber vereinbarten sie, in Ruhe noch mal darüber nachzudenken; Livia würde den kürzeren ziehen, sie müßte ihr Haus in Boccadasse aufgeben und sich einem neuen Lebensrhythmus anpassen.
Kaum war das Flugzeug mit Livia gestartet, stürzte Montalbano zu einem öffentlichen Telefon, rief seinen Freund
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