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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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daß ich die Antwort bis gestern abend gebraucht hätte! Sie interessiert mich nicht mehr! Nur weil du zu spät bist, ist jetzt alles zum Teufel!«
    »Glaub mir, es ging nicht eher.«
    »Schon gut, jetzt sag den Titel.«
    »Der Gebrauch des makkaronischen Lateins im geistlichen Drama der Siebenschläfer, verfaßt von einem unbekannten Autor des sechzehnten Jahrhunderts. Erklär mir mal, was dieser Titel mit der Mafia zu tun haben soll...«
    »Und ob er was damit zu tun hat! Aber du bist schuld dran, daß ich ihn jetzt nicht mehr brauche, zu danken brauche ich dir also auch nicht.«
    Er legte auf und brach vor Freude in ein ohrenbetäubendes Gewieher aus. Und schon war aus der Küche das Geräusch von zersplitterndem Glas zu hören: Adelina mußte so erschrocken sein, daß ihr etwas aus der Hand gefallen war. Montalbano nahm Anlauf, sprang von der Veranda in den Sand, schlug einen Purzelbaum, dann ein Rad, noch einen Purzelbaum und noch ein Rad. Der dritte Purzelbaum ging schief, und er fiel völlig außer Atem in den Sand. Adelina eilte von der Veranda zu ihm und schrie: »Madunnuzza beddra! Jetzt ist er verrückt geworden! Er hat sich das Genick gebrochen!«
    Montalbano wollte ganz gewissenhaft sein und fuhr in die Stadtbücherei von Montelusa.
    »Ich suche ein geistliches Drama«, sagte er zu der Leiterin. Die Leiterin, die ihn als Commissario kannte, war etwas erstaunt, sagte aber nichts.
    »Alles, was wir haben«, meinte sie dann, »sind die beiden Bände von D'Ancona und die beiden von De Bartholomaeis. Sie können die Bücher aber nicht ausleihen, Sie müssen hier reinschauen.«
    Das Drama der Siebenschläfer fand er im zweiten Band von D'Anconas Anthologie. Es war ein kurzes, sehr naives Stück.
    Lillo mußte seine Doktorarbeit auf den Dialog zwischen zwei häretischen Gelehrten aufgebaut haben, die ein vergnügliches makkaronisches Latein sprachen. Was den Commissario jedoch mehr interessierte, war das lange Vorwort, das D' Ancona geschrieben hatte. Da stand alles – die Sure aus dem Koran, der Weg der Legende durch die europäischen und afrikanischen Länder mit ihren Änderungen und Varianten. Professor Lovecchio hatte recht gehabt: Die achtzehnte Sure des Koran gäbe, für sich gesehen, nur Rätsel auf. Man mußte sie mit dem vervollständigen, was andere Kulturen hervorgebracht hatten.
    »Ich möchte eine Hypothese aufstellen und Sie um Ihre Unterstützung bitten«, sagte Montalbano, als er Burgio und dessen Frau von seinen neuesten Erkenntnissen unterrichtete. »Sie haben doch sehr überzeugt gesagt, Lisetta sei für Lillo wie eine kleine Schwester gewesen, die er über alles liebte. Stimmt das so?«
    »Ja«, sagten die beiden wie aus einem Mund.
    »Gut. Jetzt frage ich Sie etwas. Halten Sie es für möglich, daß Lillo Lisetta und ihren jungen Geliebten umgebracht hat?«
    »Nein«, sagten die beiden alten Leute, ohne zu zögern.
    »Dieser Meinung bin ich auch«, sagte Montalbano, »eben weil es Lillo war, der die beiden Toten sozusagen in den Zustand einer hypothetischen Auferstehung versetzt hat. Ein Mörder will nicht, daß seine Opfer wiederauferstehen.«
    »Und?« fragte der Preside.
    »Falls Lisetta ihn gebeten hat, sie in einer Notlage zusammen mit ihrem Freund im Haus der Rizzitanos am Crasto aufzunehmen, wie hätte Lillo da Ihrer Meinung nach reagiert?«
    Die Signora brauchte gar nicht nachzudenken. »Er hätte alles getan, worum Lisetta ihn bat.«
    »Dann versuchen wir doch mal, uns vorzustellen, was in jenen Tagen im Juli geschehen ist. Lisetta flieht aus Serradifalco, schlägt sich nach Vigàta durch, trifft sich mit ihrem Freund Mario Cunich, der desertiert oder vielmehr sich von seinem Schiff entfernt. Jetzt wissen die beiden nicht, wo sie sich verstecken sollen; zu Lisetta nach Hause zu gehen ist, als gingen sie in die Höhle des Löwen, denn dort würde sie ihr Vater als allererstes suchen. Sie weiß, daß Lillo Rizzitano ihr nichts abschlagen kann, und bittet ihn um Hilfe. Er nimmt das Paar in dem Haus am Fuß des Crasto auf, in dem er allein lebt, weil seine ganze Familie geflohen ist. Wer die beiden umbringt und warum, wissen wir nicht, und vielleicht werden wir es auch niemals wissen. Aber daß Lillo der Urheber der Bestattung in der Höhle ist, daran kann es keinen Zweifel geben, weil er sich Schritt für Schritt sowohl an der christlichen wie an der Koranversion der Legende orientiert. In beiden Fällen wachen die Schlafenden wieder auf. Was will er mit dieser Inszenierung zu

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