Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
poetische Schöpfung des Koran ist, wenn man sämtliche Varianten vor Augen hat, die die verschiedenen Kulturen dazu beigetragen haben... Meiner Meinung nach kann der Autor der Inszenierung in der Grotte nur jemand sein, der aus Gründen des Studiums...«
Wie in einem Comic sah Montalbano förmlich die Glühbirne, das Licht, das ihm aufging.
Er bremste so abrupt vor dem Bürogebäude der Antimafia, daß der Wachtposten nervös wurde und seine Maschinenpistole hob.
»Ich bin Commissario Montalbano!« schrie er und zeigte seinen Führerschein, das erste, was er in die Finger bekam. Atemlos rannte er zu einem anderen Beamten, der Pförtner war.
»Sagen Sie Dottor De Dominicis Bescheid, daß Commissario Montalbano raufkommt, schnell!«
Er war allein im Aufzug, und Montalbano nutzte die Gelegenheit und zerzauste sich die Haare, lockerte den Krawattenknoten und öffnete den Kragenknopf. Er wollte noch das Hemd ein bißchen aus der Hose hängen lassen, fand das dann aber doch übertrieben.
»De Dominicis, ich hab's!« japste er und schloß die Tür hinter sich.
»Was denn?« fragte De Dominicis, beunruhigt über den Anblick des Commissario, und erhob sich von seinem funkelnden Sessel in seinem funkelnden Büro.
»Wenn Sie bereit sind, mir zu helfen, lasse ich Sie an einer Ermittlung teilnehmen, die...«
Er unterbrach sich und legte die Hand auf den Mund, als wolle er sich selbst am Weiterreden hindern.
»Worum geht es denn? Ein kleiner Hinweis nur!«
»Ich kann nicht, glauben Sie mir, ich kann nicht.«
»Was müßte ich tun?«
»Bis spätestens heute abend muß ich wissen, worüber ein gewisser Calogero Rizzitano seine Doktorarbeit in Literaturwissenschaften geschrieben hat. Sein Professor hieß Cotroneo, soviel ich weiß. Er muß gegen Ende 42 promoviert haben. Der Gegenstand dieser Doktorarbeit ist der Schlüssel zu allem, es könnte ein tödlicher Schlag gegen die...«
Er unterbrach sich wieder, riß die Augen auf und dachte erschrocken: Ich habe doch nichts gesagt, oder?
Montalbanos Erregung übertrug sich auf De Dominicis. »Wie soll das gehen? Damals gab es Tausende von Studenten! Falls die Unterlagen überhaupt noch existieren...«
»Ach, was. Nicht Tausende, höchstens Dutzende. In der Zeit standen die jungen Männer alle unter Waffen. Es ist ganz einfach.«
»Warum kümmern Sie sich dann nicht selber darum?«
»Weil mich der Amtsschimmel bestimmt furchtbar viel Zeit kosten würde, und Ihnen stehen doch alle Türen offen.«
»Wo kann ich Sie erreichen?«
»Ich fahre jetzt sofort nach Vigàta zurück, ich darf gewisse Entwicklungen nicht aus den Augen lassen. Rufen Sie mich an, sobald Sie etwas herausgefunden haben. Aber unbedingt zu Hause. Im Büro nicht, da könnte ein Maulwurf sein.«
Bis zum Abend wartete er auf De Dominicis' Anruf, der nicht kam. Das machte ihm aber keine Sorgen, er war sicher, daß De Dominicis angebissen hatte. Offenbar war die Sache auch für ihn nicht ganz einfach.
Am nächsten Morgen freute er sich, daß Adelina, seine Haushälterin, wieder da war.
»Warum bist du denn nicht mehr gekommen?«
»Warum, warum! Weil die Signorina es nicht mag, daß ich im Haus bin, wenn sie da ist.«
»Woher wußtest du, daß Livia wieder weg ist?«
»Ich hab's im Ort gehört.«
In Vigàta wußte jeder über jeden Bescheid. »Was hast du eingekauft?«
»Es gibt pasta con le sardi und als zweiten Gang purpi alla c arrettera.«
Köstlich, aber mörderisch. Montalbano umarmte sie.
Gegen Mittag klingelte das Telefon, und Adelina, die bestimmt deswegen so gründlich putzte, weil sie die Spuren von Livias Aufenthalt auslöschen wollte, ging an den Apparat.
»Dutturi, lu voli u dutturi Didumminici!«
Montalbano, der in der Veranda saß und zum fünftenmal Wendemarke von Faulkner las, stürzte ans Telefon. Bevor er den Hörer in die Hand nahm, legte er sich schnell einen Plan zurecht, wie er De Dominicis wieder loswerden konnte, sobald er seine Information hatte.
»Sì? Pronto? Wer ist da?« fragte er mit müder und enttäuschter Stimme.
»Du hattest recht, es war ganz einfach. Calogero Rizzitano hat am dreizehnten November 1942 mit der höchsten Punktzahl promoviert. Schreib's dir auf, der Titel ist lang.«
»Warte, ich muß einen Stift suchen. Aber eigentlich...«
De Dominicis merkte, wie lustlos Montalbanos Stimme klang. »Was hast du denn?«
De Dominicis fühlte sich mit ihm im Bunde, daher das »Du«.
»Was glaubst du wohl, was ich habe! Das fragst du noch?! Du wußtest doch,
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