Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
sah er aus, vielleicht sogar schlechter als in den Tagen, nachdem sie auf ihn geschossen hatten.
Er mußte zu einer Nachuntersuchung ins Krankenhaus; man war sehr zufrieden mit ihm, und er mußte von den fünf Medikamenten, die er verschrieben bekommen hatte, nur noch eines nehmen. Dann fuhr er zur Cassa di Risparmio nach Montelusa, bei der er das wenige Geld eingezahlt hatte, das er auf die hohe Kante legen konnte, und bat um eine private Unterredung mit dem Direktor.
»Ich brauche zehn Millionen.«
»Haben Sie das Geld auf dem Konto, oder wollen Sie ein Darlehen?«
»Ich habe es.«
»Wo liegt dann das Problem?«
»Das Problem ist, daß es um eine Polizeiaktion geht, die ich selber finanzieren will, um keine staatlichen Gelder aufs Spiel zu setzen. Wenn ich jetzt an den Schalter gehe und zehn Millionen in Hunderttausendern verlange, dann klingt das ein bißchen merkwürdig. Deswegen brauche ich Ihre Hilfe.«
Voller Verständnis und stolz, weil er an einer Polizeiaktion teilhaben durfte, setzte der Direktor sofort alle Hebel in Bewegung.
Direkt unter dem Schild, das kurz vor Montelusa die Schnellstraße nach Palermo anzeigte, hielt Ingrid mit ihrem Wagen neben dem Auto des Commissario. Montalbano gab ihr den dicken Umschlag mit den zehn Millionen, den sie in eine Stofftasche steckte.
»Ruf mich zu Hause an, sobald du alles erledigt hast. Und laß dich ja nicht beklauen.«
Sie lächelte, warf ihm eine Kußhand zu und fuhr los.
In Vigàta versorgte er sich mit Zigaretten. Als er den tabacchaio verließ, sah er ein großes grünes Plakat mit schwarzer Schrift, das ganz frisch geklebt war. Es lud die Bevölkerung zu einem großen Motocross-Rennen ein, das am Sonntag ab fünfzehn Uhr auf der piana del crasticeddru stattfinden sollte.
Auf einen solchen Zufall hätte er nie zu hoffen gewagt. Ob das Labyrinth sich seiner wohl erbarmt und ihm einen neuen Weg geöffnet hatte...?
Vierundzwanzig
Die piana del crasticeddru, die Crasticeddru-Ebene, die sich von der Felsnase aus erstreckte, hielt sich nicht einmal im Traum für eine Ebene: Senken, Kuppen, Schlammlöcher gaben den idealen Ort für ein Geländerennen ab. Der Tag war eindeutig ein Vorbote des Sommers, und die Leute warteten nicht bis nachmittags, um auf die Piana zu gehen; sie kamen schon vormittags mit Oma, Opa, Kind und Kegel und alle mit dem Vorsatz, nicht nur das Rennen, sondern vor allem einen Ausflug ins Grüne zu genießen.
Vormittags hatte Montalbano Nicolò Zito angerufen. »Kommst du heute nachmittag mit zum Motocross-Rennen?«
»Ich? Wozu denn das? Wir schicken einen Sportreporter und einen Kameramann hin.«
»Nein, ich meine, ob wir zusammen hingehen, du und ich, zu unserem Vergnügen?«
Sie trafen um halb vier an der Piana ein, und dort war vom Beginn des Rennens noch gar keine Rede, aber es herrschte ein ohrenbetäubendes Getöse vor allem von den Motoren der etwa fünfzig Motorräder, die getestet und aufgewärmt wurden, und von den Lautsprechern, die in voller Lautstärke eine Höllenmusik übertrugen.
»Seit wann interessierst du dich denn für Sport?« wunderte sich Zito.
»Hin und wieder packt's mich.«
Obwohl sie im Freien waren, mußten sie schreien, um sich zu verständigen. So bemerkten nur wenige Leute das kleine Sportflugzeug mit dem Werbeband am Heck, das plötzlich hoch über dem Crasticeddru aufgetaucht war; das Motorengeräusch des Fliegers, das einen sonst unwillkürlich zum Himmel blicken läßt, drang den Leuten nicht bis ans Ohr. Vielleicht begriff der Pilot, daß er so nie die Aufmerksamkeit auf sich lenken würde. Also drehte er noch drei kleine Runden über dem Crasticeddru, steuerte dann auf die Piana und die Menge zu, ging elegant auf Sturzflug und flog knapp über den Köpfen der Leute. Er zwang die Menschen praktisch, das Werbeband zu lesen und ihm dann mit dem Blick zu folgen, während er leicht hochzog, drei weitere Runden drehte, im Sinkflug fast den Boden vor dem offenen Eingang der Waffenhöhle berührte und dann Rosenblätter regnen ließ. Die Menge verstummte, alle dachten an die beiden Toten vom Crasticeddru, während das Flugzeug abdrehte, wieder zurückkam, knapp über dem Erdboden flog und diesmal unzählige kleine Zettel abwarf. Dann steuerte es auf den Horizont zu und verschwand. Die Aufschrift auf dem Werbeband hatte schon große Neugierde geweckt, weil sie weder für ein Getränk noch für eine Möbelfabrik warb, sondern lediglich zwei Namen trug – Lisetta und Mario.
Beim Abwurf der
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