Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
zwar
verändert und trug jetzt einen Bart, aber seine Augen waren
immer noch dieselben, ganz und gar ausdruckslos, wie von
einer Statue, das hatte Gegè ganz treffend beschrieben. Tano u
Grecu verbeugte sich leicht, und in seiner Geste war keine
Spur von Provokation oder Spott. Unwillkürlich erwiderte
Montalbano die angedeutete Verbeugung. Tano warf den Kopf
zurück und lachte.
»Wir sind wie zwei Japaner, diese japanischen Krieger
mit Schwert und Rüstung. Wie heißen die doch gleich?«
»Samurai.«
Tano breitete die Arme aus, als wollte er den Mann, der
vor ihm stand, an sich drücken. »Es ist mir eine Freude, daß
ich den berühmten Commissario Montalbano persönlich
kennenlernen darf.«
Montalbano beschloß, den Förmlichkeiten gleich ein
Ende zu setzen und zur Sache zu kommen, damit über die
Zusammenkunft von vornherein Klarheit bestand. »Ich wüßte
nicht, warum Sie sich über meine Bekanntschaft freuen
sollten.«
»Eine Freude haben Sie mir jetzt schon gemacht.«
»Und die wäre?«
»Sie siezen mich, ist das etwa nichts? Noch nie hat ein
richtiger Bulle, und ich habe schon viele getroffen, ‚Sie’ zu
mir gesagt.«
»Sie sind sich hoffentlich im klaren darüber, daß ich das
Gesetz vertrete, während Sie ein gefährlicher mehrfacher
Mörder sind, der von der Polizei gesucht wird? Und jetzt
stehen wir uns hier gegenüber.«
»Ich bin unbewaffnet. Und Sie?«
»Ich auch.«
Tano warf wieder den Kopf zurück und lachte schallend.
»Ich habe mich noch nie in jemandem getäuscht, noch nie!«
»Bewaffnet oder nicht, ich muß Sie verhaften.«
»Hier bin ich, Commissario, verhaften Sie mich.
Deswegen wollte ich Sie ja treffen.«
Er war zweifellos aufrichtig, aber gerade weil er so
unverblümt aufrichtig war, war Montalbano besonders auf der
Hut, denn ihm war überhaupt nicht klar, worauf Tano
hinauswollte.
»Sie hätten ins Kommissariat kommen und sich stellen
können. Hier oder in Vigàta, das kommt doch auf dasselbe
raus.«
»O nein, Duttureddru, das kommt nicht auf dasselbe raus.
Ich muß mich über Sie wundern, wo Sie doch lesen und
schreiben können, die Wörter sind nicht gleich. Ich stelle mich
nicht, sondern lasse mich verhaften. Holen Sie Ihr Jackett, wir
reden drinnen, ich schließe inzwischen das Haus auf.«
Montalbano nahm seine Jacke vom Olivenbaum, legte sie
sich über den Arm und folgte Tano ins Haus. Darin war es
vollkommen dunkel. Der Grecu zündete eine Petroleumlampe
an und deutete einladend auf einen der beiden Stühle, die
neben einem kleinen Tisch standen.
In dem Zimmer gab es eine Pritsche nur mit einer
Matratze, ohne Kissen und Leintuch, und eine kleine Vitrine
mit Flaschen, Gläsern, Zwieback, Tellern, Nudelpackungen,
Büchsen mit Tomatensauce, allen möglichen Konserven. Auf
einem Holzherd standen Keramikschüsseln und Töpfe. Eine
morsche Holztreppe führte ins obere Stockwerk. Aber der
Blick des Commissario blieb an einem Tier hängen, das
weitaus gefährlicher war als die Eidechse, die im
Handschuhfach seines Wagens schlief; das hier war eine
richtige Giftschlange, eine Maschinenpistole, die neben dem
Feldbett an der Wand lehnte und im Stehen schlief.
»Ich habe guten Wein«, sagte Tano, wie es sich für einen
ordentlichen Gastgeber gehörte. »Ja, gern«, sagte Montalbano.
Nach einer solchen Nacht, bei dieser Kälte, bei der
Anspannung und dem Kilo mostazzoli, das er verdrückt hatte,
konnte er ein Glas Wein gut vertragen.
Der Grecu goß ein und hob das Glas. »Auf Ihr Wohl.«
Der Commissario hob ebenfalls das Glas und erwiderte
den Wunsch.
»Auf Ihr Wohl.«
Der Wein war ausgezeichnet, er floß die Kehle hinab, daß
es ein Vergnügen war, er stärkte und wärmte.
»Er ist wirklich gut«, lobte Montalbano. »Noch ein
Glas?«
Um nicht der Versuchung zu erliegen, schob der
Commissario das Glas entschieden von sich.
»Reden wir jetzt?«
»Gut. Also, ich sagte, ich hätte beschlossen, mich
festnehmen zu lassen...«
»Warum?«
Montalbanos Frage, die wie aus der Pistole geschossen
kam, verdutzte den anderen. Doch nach einem Augenblick
hatte er sich wieder gefaßt. »Ich muß in ärztliche Behandlung,
ich bin krank.«
»Wie bitte? Sie glauben doch, mich gut zu kennen, dann
werden Sie auch wissen, daß ich mich nicht verarschen lasse.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Warum
behandeln
Sie
mich
dann
nicht
dementsprechend und hören mit dem Quatsch auf?«
»Glauben Sie mir denn nicht, daß ich krank
Weitere Kostenlose Bücher