Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
bin?«
»Ich glaube es schon. Aber Sie wollen mir doch nicht
weismachen, daß Sie sich festnehmen lassen müssen, um sich
in ärztliche Behandlung begeben zu können. Ich kann Ihnen
das erklären, wenn Sie wollen. Sie lagen sechs Wochen lang in
der Klinik Madonna di Lourdes in Palermo und dann drei
Monate in der Gethsemane-Klinik in Trapani, wo Professor
Amerigo Guarnera Sie sogar operiert hat. Auch wenn die
Dinge etwas anders liegen als noch vor ein paar Jahren, finden
Sie, wenn Sie wollen, sofort mehr als eine Klinik, die bereit
ist, ein Auge zuzudrücken und Ihre Anwesenheit nicht der
Polizei zu melden. Der Grund, weswegen Sie sich festnehmen
lassen wollen, ist also nicht Ihre Krankheit.«
»Und wenn ich Ihnen sagen würde, daß sich die Zeiten
ändern und sich das Rad immer schneller dreht?«
»Das klingt schon besser.«
»Sehen Sie, mein Vater selig, der ein Ehrenmann war in
Zeiten, in denen das Wort ‚Ehre’ noch etwas galt, erklärte mir
als Kind, daß der Pferdewagen, den die Ehrenmänner fuhren,
viel Schmierfett brauchte, damit die Räder liefen, damit sie
sich schnell drehten. Und dann, eine Generation später, als ich
selbst fuhr, sagte jemand aus unserer Familie: Warum sollen
wir das Schmierfett, das wir benötigen, eigentlich bei den
Politikern, den Bürgermeistern, bei den Bankchefs und all den
Leuten jener erlesenen Gesellschaft kaufen? Wir stellen unser
Schmierfett selber her! Gut! Bravo! Alle einverstanden.
Natürlich gab es immer mal jemanden, der seinem Freund das
Pferd gestohlen, seinem Partner Steine in den Weg gelegt oder
blindlings auf Wagen, Pferd und Reiter eines anderen Clans
geschossen hat... Aber das waren alles Dinge, die wir unter
uns regeln konnten. Es gab immer mehr Wagen und immer
mehr Straßen zum Fahren. Da kam ein kluger Kopf auf eine
gute Idee, er hat sich gefragt, warum wir eigentlich immer
noch mit dem Pferdewagen fuhren. Wir sind zu langsam,
erklärte er, die überholen uns doch, alle Welt fährt jetzt Auto,
man darf sich dem Fortschritt nicht verschließen. Gut! Bravo!
Da tauschten alle schnell ihren Pferdewagen gegen ein Auto
und machten den Führerschein. Aber manche schafften die
Fahrprüfung nicht und waren weg vom Fenster. Man hatte
nicht mal genug Zeit, mit dem neuen Auto vertraut zu werden,
da machten uns die Jüngeren, die ihr ganzes Leben lang Auto
gefahren sind und in den Staaten oder in Deutschland Jura
oder Wirtschaft studiert hatten, auch schon klar, daß unsere
Autos zu langsam waren, daß man heutzutage einen
Rennwagen fahren mußte, einen Ferrari, einen Maserati mit
Funktelefon und all solchem Zeug, und daß man wie der Blitz
starten können mußte. Diese jungen Leute sind ganz up to
date, sie reden mit Apparaten und nicht mit Menschen, sie
kennen dich nicht mal, sie haben keine Ahnung, wer du warst,
und wenn sie es wissen, dann ist es ihnen scheißegal, sie
kennen sich nicht mal untereinander, sondern tauschen sich
nur per Computer aus. Kurzum, diese Jungen schauen
niemanden an, und sobald sie sehen, daß du Schwierigkeiten
mit einem langsamen Auto hast, fackeln sie nicht lang und
drängen dich von der Straße, und du findest dich mit
gebrochenem Genick im Graben wieder.«
»Und Sie können einen Ferrari nicht fahren.«
»So ist es. Und bevor ich im Straßengraben sterbe, ziehe
ich mich lieber zurück.«
»Sie wirken aber nicht wie jemand, der sich freiwillig
zurückzieht.«
»Freiwillig, ich schwör's, Commissario, ganz freiwillig.
Natürlich gibt es die eine oder andere Möglichkeit, jemanden
dazu zu bringen, daß er etwas freiwillig tut. Mir hat mal ein
Freund, der sehr belesen war und viel wußte, eine Geschichte
erzählt, die ich Ihnen jetzt wortwörtlich wiedergebe. Er hatte
sie aus einem deutschen Buch. Ein Mann sagt zu seinem
Freund: ‚Wetten, daß meine Katze scharfen Senf frißt, den
ganz scharfen, der dir ein Loch in den Bauch brennt?’ ‚Katzen
mögen keinen Senf’, sagt der Freund. ‚Meine Katze frißt ihn’,
sagt der Mann. ‚Mit einer Tracht Prügel vielleicht?’ fragt der
Freund. ‚Nein, mein Lieber, ohne Zwang, sie frißt ihn von sich
aus, ganz freiwillig’, antwortet der Mann. Sie wetten also, und
der Mann nimmt einen Löffel voll Senf, den Senf, bei dessen
Anblick einem schon der Mund brennt, packt die Katze und
zack! schmiert er ihr den Senf an den Hintern. Die arme Katze,
der der Hintern wie Feuer brennt, fängt an, sich zu lecken. Sie
leckt, was das
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