Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
schloß, was er vorhatte. Er blieb drei Schritte vor
der Tür stehen, zog sein Jackett aus, hängte es an einen
Olivenbaum, damit man sehen konnte, daß er keine Waffe
trug, und rief, nicht allzu laut, wie jemand, der einen Freund
besucht: »He! Ist jemand da?«
Niemand antwortete, nichts war zu hören. Der
Commissario zog ein Feuerzeug und ein Päckchen Zigaretten
aus der Hosentasche, steckte sich eine in den Mund, stellte
sich gegen den Wind, indem er sich halb um sich selbst drehte,
und zündete sie an. So konnte ihn jemand, der im Haus war,
problemlos von hinten beobachten, wie er ihn vorher von vorn
beobachtet hatte. Er nahm zwei Züge, dann ging er
entschlossen auf die Tür zu und schlug so fest mit der Faust
dagegen, daß ihm die Knöchel von den verkrusteten Stellen im
Lack weh taten. »Ist da jemand?« rief er wieder.
Auf alles war er gefaßt gewesen, nur nicht auf die
spöttische, ruhige Stimme, die ihn gemeinerweise von hinten
ansprach.
»Ja, ja. Hier bin ich.«
» Pronto? Pronto? Montalbano? Salvuzzo! Ich bin's, Gegè!«
»Schon klar, beruhig dich. Wie geht's, mein
Honigschleckermäulchen?«
»Gut geht's.«
»Hat das Mäulchen auch fleißig gearbeitet? Wirst du
immer besser im Blasen?«
»Salvù, laß deine blöden Witze. Wenn überhaupt, dann
blase ich nicht selber, sondern lasse blasen, das weißt du ganz
genau.«
»Bist du denn nicht der große Lehrmeister? Bringst du
den bunten Vögelchen denn nicht bei, was sie mit den Lippen
machen sollen, wie fest sie lutschen müssen?«
»Salvù, wenn es so wäre, wie du sagst, würden höchstens
sie mir was beibringen. Wenn sie mit zehn Jahren kommen,
wissen sie schon Bescheid, mit fünfzehn sind sie Profis. Ich
hab' da eine vierzehnjährige Albanerin, die...«
»Machst du jetzt Reklame für deine Ware?«
»Hör zu, ich hab' keine Zeit für solchen Quatsch. Ich muß
dir was geben, ein Päckchen.«
»Jetzt? Geht das nicht morgen früh?«
»Morgen bin ich nicht da.«
»Weißt du denn, was drin ist?«
»Klar weiß ich das. Mostazzoli di vino cotto, die magst du
doch so gern. Meine Schwester Mariannina hat sie extra für
dich gemacht.«
»Wie geht's Marianninas Augen?«
»Viel besser. In Barcelona haben sie wahre Wunder
vollbracht.«
»In Barcelona schreiben sie auch gute Bücher.«
»Was hast du gesagt?«
»Nichts, vergiß es. Wo treffen wir uns?«
»An der üblichen Stelle, in einer Stunde.«
Die übliche Stelle war der kleine Puntasecca-Strand, ein
kurzer Sandstreifen unterhalb eines Hügels aus weißem
Mergel, der auf dem Landweg eigentlich nicht zu erreichen
war; das heißt, zu erreichen war er nur für Montalbano und
Gegè, denn sie hatten bereits als Schulkinder einen Weg
entdeckt, den zu Fuß zurückzulegen schon mühsam, mit dem
Auto jedoch ein wirkliches Abenteuer war.
Puntasecca war nur ein paar Kilometer von dem kleinen
Haus am Meer außerhalb Vigàtas entfernt, in dem Montalbano
wohnte, er konnte sich also Zeit lassen. Doch gerade, als er
aus dem Haus gehen wollte, um zu dem Treffpunkt zu fahren,
klingelte das Telefon.
» Ciao, amore, siehst du, ich bin ganz pünktlich. Wie war
dein Tag?«
»Wie immer. Und deiner?«
»Genauso. Du, Salvo, ich habe lange über das
nachgedacht, was...«
»Livia, entschuldige bitte, wenn ich dich unterbreche,
aber ich habe wenig Zeit, eigentlich habe ich überhaupt keine
Zeit. Ich war schon fast aus der Tür, ich muß noch mal weg.«
»Dann geh, gute Nacht.«
Livia legte auf, und Montalbano behielt den Hörer in der
Hand. Da fiel ihm ein, daß er Livia am Abend zuvor gesagt
hatte, sie solle ihn Punkt Mitternacht anrufen, dann wäre
genug Zeit für ein langes Gespräch. Er war unentschlossen, ob
er seine Freundin nicht besser gleich in Boccadasse anrufen
sollte oder erst nachher, wenn er von dem Treffen mit Gegè
zurück war. Mit leisen Gewissensbissen legte er den Hörer auf
und machte sich auf den Weg.
Als er mit ein paar Minuten Verspätung ankam, wartete Gegè
schon auf ihn und ging nervös neben seinem Auto auf und ab.
Sie umarmten und küßten einander, denn sie hatten sich schon
lang nicht mehr gesehen. »Komm, wir setzen uns in mein
Auto, ganz schön kühl heut nacht«, sagte der Commissario.
»Ich bin da in was reingezogen worden«, fing Gegè an,
sobald er saß.
»Von wem?«
»Von Leuten, die ich nicht abblitzen lassen kann. Du
weißt ja, daß ich wie jeder Geschäftsmann Schutzgeld zahle,
damit ich in Ruhe arbeiten kann und
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