Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
in Einsteins Fußstapfen getreten.
»Wissen Sie, wer sie umgebracht hat?«
Anna Tropeano schrak zusammen und sah den Commissario mit flehendem Blick an: Es ging uns doch so gut, warum setzt du dir jetzt die Maske des Bullen auf, der schlimmer ist als ein Jagdhund? Lässt du denn nie locker? schien sie zu fragen.
Montalbano verstand die Frage im Blick der Frau, er lächelte und breitete schicksalsergeben die Arme aus, als wollte er sagen: Das ist mein Job.
»Nein«, sagte fest und entschieden Anna Tropeano.
»Irgendein Verdacht?«
»Nein.«
»Signora Licalzi kehrte normalerweise in den frühen Morgenstunden ins Hotel zurück. Ich wüsste gern von Ihnen …«
»Sie war bei mir. Bei mir zu Hause. Wir haben fast jeden Abend miteinander gegessen. Wenn sie woanders eingeladen war, kam sie danach noch zu mir.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Was zwei Freundinnen eben machen. Wir redeten, sahen fern, hörten Musik. Oder taten gar nichts und genossen einfach die Nähe der anderen.«
»Hatte sie Freundschaften mit Männern?«
»Ja, ein paar. Aber es war nicht so, wie es vielleicht aussah.
Michela war ein sehr ernsthafter Mensch. Wenn die Männer sie so ungezwungen, so frei erlebten, missverstanden sie das. Und waren zwangsläufig enttäuscht.«
»Gab es jemanden, der besonders aufdringlich war?«
»Ja.«
»Wie heißt er?«
»Das sage ich Ihnen nicht. Sie werden es leicht selbst herausfinden.«
»Signora Licalzi war ihrem Mann also absolut treu.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Was heißt das?«
»Es heißt das, was ich eben gesagt habe.«
»Kannten Sie sich schon lange?«
»Nein.«
Montalbano sah sie an, stand auf und trat ans Fenster. Fast wütend steckte sich Anna ihre vierte Zigarette an.
»Der Ton, den der letzte Teil unseres Gesprächs angenommen hat, gefällt mir nicht«, sagte der Commissario, ohne sich umzudrehen.
»Mir auch nicht.«
»Frieden?«
»Frieden.«
Montalbano wandte sich um und lächelte sie an. Anna erwiderte das Lächeln. Aber nur ganz kurz, dann hob sie den Finger wie eine Schülerin, sie wollte etwas fragen.
»Können Sie mir, falls das kein Geheimnis ist, sagen, wie sie umgebracht wurde?«
»Haben sie das im Fernsehen nicht gesagt?«
»Nein, weder in >Retelibera< noch in >Televigàta<. Sie haben nur berichtet, dass sie gefunden wurde.«
»Ich dürfte es Ihnen eigentlich nicht sagen. Aber für Sie mache ich eine Ausnahme. Sie wurde erstickt.«
»Mit einem Kissen?«
»Nein, man hat ihr Gesicht in die Matratze gedrückt.«
Anna begann zu schwanken wie ein Baumwipfel, in den der Wind fährt. Der Commissario ging hinaus und kam kurz darauf mit einer Flasche Wasser und einem Glas wieder. Anna trank, als wäre sie gerade aus der Wüste zurückgekehrt.
»Was wollte sie nur in der Villa, Dio mio?«, fragte sie mehr sich selbst.
»Waren Sie jemals in dem Haus?«
»Natürlich. Fast jeden Tag, mit Michela.«
»Hat die Signora manchmal dort geschlafen?«
»Soviel ich weiß, nicht.«
»Aber im Bad war ein Bademantel, auch Handtücher und Cremes.«
»Ich weiß. Michela hatte es extra eingerichtet. Wenn sie im Haus war, um es in Ordnung zu bringen, war sie zum Schluss natürlich voller Staub und Zement. Also duschte sie, bevor sie ging.«
Montalbano fand, dass es inzwischen Zeit für einen Tiefschlag war, aber es widerstrebte ihm, er mochte ihr nicht so weh tun.
»Sie war völlig nackt.«
Es war, als stünde Anna plötzlich unter Starkstrom, sie riss die Augen weit auf, versuchte zu sprechen, brachte aber kein Wort heraus. Montalbano füllte ihr Glas noch mal auf.
»Wurde sie - wurde sie vergewaltigt?«
»Ich weiß es nicht. Der Gerichtsmediziner hat mich noch nicht angerufen.«
»Warum ist sie nur in diese verdammte Villa und nicht ins Hotel gefahren?«, fragte Anna wieder verzweifelt.
»Der Mörder hat ihre Kleider, ihren Slip und ihre Schuhe mitgenommen.«
Anna sah ihn ungläubig an, als hätte ihr der Commissario ein Lügenmärchen erzählt.
»Warum denn das?«
Montalbano gab keine Antwort.
»Er hat auch den Beutel mit allem, was darin war, mitgenommen«, fuhr er fort.
»Das kann man schon eher verstehen. Michela hatte ihren ganzen Schmuck in dem Beutel, und sie hatte viel kostbaren Schmuck. Wenn der Kerl, der sie erstickt hat, ein Dieb war und überrascht -«
»Augenblick. Signor Vassallo sagte mir, dass sich seine Frau Sorgen gemacht hat, weil Michela nicht zum Abendessen kam, und Sie angerufen hat.«
»Das stimmt. Und ich vermutete sie bei ihnen. Als
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