Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
Michela und ich uns trennten, sagte sie, sie würde noch ins Hotel fahren und sich umziehen.«
»Apropos, was hatte sie an?«
»Sie war ganz in Jeans gekleidet, auch die Jacke, und trug Slipper.«
»Aber im Hotel ist sie nie angekommen. Jemand oder etwas muss sie dazu gebracht haben, es sich anders zu überlegen.
Hatte sie ein Handy?«
»Ja, sie hatte es immer in ihrem Beutel dabei.«
»Es könnte also sein, dass jemand sie auf dem Weg ins Hotel angerufen hat. Und dass sie auf diesen Anruf hin in die Villa gefahren ist.«
»Das kann auch ein Trick gewesen sein.«
»Von wem? Von dem Dieb bestimmt nicht. Oder haben Sie schon mal von einem Dieb gehört, der den Besitzer des Hauses, das er gerade ausraubt, dorthin bestellt?«
»Haben Sie festgestellt, ob in der Villa etwas fehlt?«
»Die Piaget der Signora auf jeden Fall. Ansonsten weiß ich von nichts. Mir ist nicht bekannt, was es in der Villa an Wertvollem gab. Alles wirkt aufgeräumt, nur das Bad ist unordentlich.«
Anna machte ein erstauntes Gesicht.
»Unordentlich?«
»Ja, stellen Sie sich vor, der rosa Bademantel lag achtlos auf dem Boden. Sie hatte gerade geduscht.«
»Commissario, Sie zeichnen hier ein bestimmtes Bild, das mich ganz und gar nicht überzeugt.«
»Nämlich?«
»Nämlich dass Michela in die Villa gefahren ist, um dort einen Mann zu treffen, und es so eilig hatte, mit ihm ins Bett zu gehen, dass sie den Bademantel einfach fallen und liegen ließ.«
»Das ist doch plausibel, oder?«
»Bei anderen Frauen schon, bei Michela nicht.«
»Kennen Sie einen gewissen Guido, der sie jede Nacht aus Bologna angerufen hat?«
Er hatte auf gut Glück gezielt, aber ins Schwarze getroffen.
Anna Tropeano wandte verlegen den Blick ab.
»Sie sagten doch gerade, die Signora sei treu gewesen?«
»Ja.«
»Ihrem einzigen Seitensprung?« Anna nickte.
»Können Sie mir sagen, wie er heißt? Sie würden mir einen Gefallen tun, so spare ich Zeit. Erfahren werde ich den Namen sowieso, keine Sorge. Also?«
»Er heißt Guido Serravalle und ist Antiquar. Ich weiß weder Telefonnummer noch Adresse.«
»Danke, das reicht mir schon. Michelas Mann kommt gegen Mittag hierher. Möchten Sie ihn treffen?«
»Ich?! Wozu denn das? Ich kenne ihn doch gar nicht.«
Der Commissario musste keine weiteren Fragen stellen, Anna fuhr von sich aus fort.
»Michela und Dottor Licalzi haben vor zweieinhalb Jahren geheiratet. Sie wollte die Hochzeitsreise nach Sizilien machen. Bei dieser Gelegenheit haben wir uns aber noch nicht kennen gelernt. Das war später, als sie, in der Absicht, die Villa bauen zu lassen, allein noch mal herkam. Ich fuhr eines Tages mit dem Auto nach Montelusa, als mir ein Twingo entgegenkam, wir waren beide in Gedanken versunken und wären fast frontal zusammengestoßen. Wir sind ausgestiegen, haben uns gegenseitig um Entschuldigung gebeten und waren uns sympathisch. Michela kam immer allein nach Sizilien.«
Anna Tropeano wirkte müde und tat Montalbano Leid.
»Sie haben mir sehr geholfen. Danke.«
»Kann ich jetzt gehen?«
»Natürlich.«
Er reichte ihr die Hand. Anna Tropeano nahm sie und hielt sie fest.
Der Commissario spürte, wie ihn Wärme durchflutete. »Danke«, sagte Anna. »Wofür denn?«
»Dass ich über Michela reden konnte. Ich habe niemanden, mit dem ich … Danke. Mir ist schon leichter ums Herz.«
Sechs
Anna Tropeano war gerade erst gegangen, als die Tür von Montalbanos Zimmer sperrangelweit aufgerissen wurde und gegen die Wand krachte; Catarella hüpfte wie ein Gummiball herein.
»Wenn du noch mal so reinkommst, erschieß ich dich. Du weißt, dass ich das ernst meine«, sagte Montalbano seelenruhig.
Aber Catarella war viel zu aufgeregt, als dass ihm das Sorgen gemacht hätte.
»Dottori, ich wollte Ihnen sagen, dass mich die Quistura von Montilusa angerufen hat. Wissen Sie noch, wie ich Ihnen von diesem Datumsverarbeitungskurs erzählt hab? Der fängt am Montag früh an, und ich muss da hin. Wie macht ihr das ohne mich am Telefon?«
»Wir werden's überleben, Catare.«
»A dottori, dottori! Lei mi disse di non distrupparlo a mentre che parlava con la signora e io obbediente fui! Ma arrivò uno sdilluvio di tilifonate! Tutte le scrissi a sopra di questo pizzino. Sie haben gesagt, dass ich Sie nicht stören darf, solang Sie mit der Signora reden, und ich hab gehorcht! Aber da waren ein Haufen Anrufe! Ich hab alle auf den Zettel da geschrieben.«
»Gib her und zieh ab.«
Auf einem Blatt, das schlampig aus einem Heft
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