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Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine

Titel: Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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was hatte Michela Licalzi zu verbergen?
    Am nächsten Morgen klingelte, gerade als er ins Büro fahren wollte, das Telefon. Einen Augenblick lang war er versucht, nicht dranzugehen, ein Anruf um diese Uhrzeit zu Hause konnte nur ein Gespräch aus dem Kommissariat, also irgendwas Unangenehmes, bedeuten.
    Dann siegte die unzweifelhafte Macht, die das Telefon auf die Menschen ausübt.
    »Salvo?«
    Er erkannte Livias Stimme sofort und spürte, wie seine Beine weich wie Ricotta wurden.
    »Livia! Endlich! Wo bist du?«
    »In Montelusa.«
    Was machte sie denn in Montelusa? Wann war sie angekommen?
    »Ich hol dich ab. Bist du am Bahnhof?«
    »Nein. Wenn ich zu dir kommen kann, bin ich spätestens in einer halben Stunde in Marinella.«
    »Natürlich kannst du kommen.«
    Was war da los? Was, um Himmels willen, war nur los? Er rief im Kommissariat an.
    »Keine Anrufe zu mir nach Hause.«
    Binnen einer halben Stunde trank er vier Tassen Kaffee. Er stellte die napoletana noch mal aufs Feuer. Dann hörte er, wie ein Auto vorfuhr und hielt. Das musste Livias Taxi sein.
    Er öffnete die Tür. Es war kein Taxi, sondern der Wagen von Mimì Augello. Livia stieg aus, der Wagen wendete und fuhr wieder davon.
    Montalbano fing an zu verstehen.
    Schlampig, ungekämmt, Ringe unter den Augen, die vom Weinen verquollen waren. Aber wie war sie vor allem so schmächtig und zerbrechlich geworden? Ein gerupfter Spatz.
    Montalbano spürte, wie Zärtlichkeit und Rührung ihn ergriffen.
    »Komm rein«, sagte er, nahm sie an der Hand, führte sie ins Haus und setzte sie ins Esszimmer. Sie zitterte.
    »Frierst du?«
    »Ja.«
    Er ging ins Schlafzimmer, holte eine Jacke und legte sie ihr um die Schultern.
    »Willst du einen Kaffee?«
    »Ja.«
    Der Kaffee war gerade fertig, und er servierte ihn kochend heiß. Livia trank ihn, als wäre er kalt.
    Jetzt saßen sie in der Veranda auf der Bank. Livia hatte sich hinaussetzen wollen. Der Tag war von einer fast künstlichen Heiterkeit, es war windstill, die Wellen kräuselten sich sacht. Lange sah Livia schweigend aufs Meer, dann legte sie ihren Kopf auf Salvos Schulter und begann, still zu weinen. Die Tränen tropften ihr vom Gesicht und machten den kleinen Tisch ganz nass. Montalbano nahm ihre Hand, sie überließ sie ihm, leblos. Der Commissario hatte das dringende Bedürfnis, sich eine Zigarette anzustecken, tat es aber nicht.
    »Ich habe Francois besucht«, sagte Livia auf einmal. »Das dachte ich mir schon.«
    »Ich wollte Franca nicht verständigen. Ich habe ein Flugzeug genommen und bin einfach gekommen, ohne Vorwarnung. Als Francois mich sah, hat er sich in meine Arme geworfen. Er war wirklich glücklich, mich wiederzusehen.
    Und ich war glücklich, dass ich ihn umarmen konnte, und wütend auf Franca und ihren Mann und vor allem auf dich.
    Ich war überzeugt, dass alles so war, wie ich es vermutet hatte:
    Du und sie, ihr habt euch zusammengetan, um ihn mir wegzunehmen. Da habe ich getobt und sie beschimpft.
    Während sie mich zu beruhigen versuchten, habe ich plötzlich gemerkt, dass Francois nicht mehr neben mir stand.
    Ich hatte den Verdacht, dass sie ihn versteckt, in ein Zimmer gesperrt hatten, und fing an zu schreien. Ich schrie so laut, dass alle angelaufen kamen, Francas Kinder, Aldo, die drei Arbeiter. Einer fragte den anderen, niemand hatte Francois gesehen. Besorgt gingen sie hinaus und riefen nach ihm. Ich blieb allein zurück und weinte.
    Plötzlich hörte ich eine Stimme: >Livia, ich bin hier.< Es war Francois. Er hatte sich irgendwo im Haus versteckt, und die anderen suchten ihn draußen. Siehst du, wie er ist? Schlau, hoch intelligent.«
    Sie brach wieder in Tränen aus, zu lange hatte sie sich beherrscht.
    »Ruh dich aus. Leg dich ein bisschen hin. Den Rest erzählst du mir später«, sagte Montalbano, der Livias Qualen nicht ertrug und sich kaum zurückhalten konnte, sie zu umarmen. Er ahnte jedoch, dass diese Geste verkehrt gewesen wäre.
    »Aber ich fahre wieder«, sagte Livia. »Um vierzehn Uhr geht meine Maschine in Palermo.«
    »Ich bring dich hin.«
    »Nein, ich habe mich schon mit Mimi verabredet. Er kommt in einer Stunde und holt mich wieder ab.«
    Sobald Mimi im Büro auftaucht, dachte der Commissario, kriegt er einen Arschtritt, dass ihm Hören und Sehen vergeht.
    »Er hat mich überredet, zu dir zu kommen, ich wollte eigentlich schon gestern Abend wieder abreisen.«
    Sollte er Mimi jetzt etwa auch noch danken?
    »Wolltest du mich denn nicht sehen?«
    »Versuch doch zu

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