Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
Hause aus rief er im Kommissariat an.
»Um fünf brauche ich den Streifenwagen mit Galluzzo.«
Er wählte Livias Nummer, niemand hob ab. Er rief bei ihrer Freundin in Genua an.
»Hier ist Montalbano. Hör zu, ich mache mir allmählich ernsthaft Sorgen, Livia ist schon seit Tagen …«
»Du brauchst dich nicht zu sorgen. Sie hat mich gerade angerufen und gesagt, dass es ihr gut geht.«
»Aber wo steckt sie denn?«
»Ich weiß nur, dass sie in der Personalabteilung angerufen und sich noch einen Tag Urlaub genommen hat.«
Er legte auf, und schon klingelte das Telefon.
»Commissario Montalbano?«
»Ja, wer spricht da?«
»Guttadauro. Hut ab, Commissario.«
Montalbano legte wieder auf, zog sich aus, stellte sich unter die Dusche und warf sich, nackt wie er war, aufs Bett. Er schlief auf der Stelle ein.
»Triiin, triiin«, ertönte es aus weiter Ferne in seinem Kopf.
Er begriff, dass es an der Haustür geklingelt hatte. Er stand mühsam auf und öffnete die Tür. Als Galluzzo ihn nackt sah, machte er einen Satz nach hinten.
»Was ist denn, Gallù? Hast du Angst, ich nehm dich mit rein und mach unanständige Sachen mit dir?«
»Commissario, ich klingel schon seit einer halben Stunde.
Ich war kurz davor, die Tür einzutreten.«
»Dann hättest du mir eine neue gezahlt. Ich komm sofort.«
Der Tankwart war um die dreißig, kräftig und flink und hatte krauses Haar und glänzende schwarze Augen. Er trug einen Overall, aber der Commissario konnte ihn sich gut vorstellen, wie er als Bademeister am Strand von Rimini deutsche Mädchenherzen brach.
»Sie sagen also, dass die Signora von Montelusa kam und es acht Uhr abends war.«
»Todsicher. Schauen Sie, ich wollte gerade schließen, weil ich Feierabend hatte. Sie kurbelte das Fenster runter und fragte, ob ich noch volltanken könnte. >Für Sie lasse ich die ganze Nacht offen, wenn Sie mich darum bitten<, sagte ich.
Sie stieg aus. Madonnuzza santa, war die schön!«
»Wissen Sie noch, wie sie gekleidet war?«
»Ganz in Jeans.«
»Hatte sie Gepäck dabei?«
»Ich hab nur so eine Art Beutel gesehen, der auf dem Rücksitz lag.«
»Und dann?«
»Ich habe vollgetankt, gesagt, was es kostet, und sie hat mit einem Hunderttausenderschein gezahlt, den sie aus einem Portemonnaie genommen hatte. Als ich ihr rausgab, hab ich gefragt, weil ich mit Frauen gern ein Späßchen mache: >Kann ich sonst noch was Spezielles für Sie tun?< Ich hatte eine grobe Antwort erwartet, aber sie lächelte und sagte: >Fürs Spezielle habe ich schon einen.< Dann ist sie weitergefahren.«
»Sind Sie sicher, dass sie nicht nach Montelusa zurückgefahren ist?«
»Ganz sicher. Die arme Frau, wenn ich denke, was für ein Ende sie genommen hat!«
»Va bene, ich danke Ihnen.«
»Ah, noch was, Commissario. Sie hatte es eilig, nach dem Tanken ist sie ganz schnell weggefahren. Sehen Sie die gerade Strecke da? Ich hab ihr nachgeschaut, bis sie dort hinten um die Kurve war. Sie ist sehr schnell gefahren.«
»Ich hätte erst morgen zurück sein müssen«, sagte Gillo Jàcono, »aber da ich schon früher wieder hier war, hielt ich es für meine Pflicht, sofort zu Ihnen zu kommen.«
Er war um die dreißig, gut gekleidet und sah sympathisch aus.
»Ich danke Ihnen.«
»Ich wollte Ihnen sagen, dass man bei so einem Ereignis doch dauernd hin und her überlegen muss.«
»Wollen Sie berichtigen, was Sie am Telefon gesagt haben?«
»Keinesfalls. Aber ich denke immer wieder darüber nach, was ich gesehen habe, und könnte ein Detail hinzufügen.
Doch Sie sollten vorsichtshalber ein dickes Vielleicht vor das setzen, was ich Ihnen sagen möchte.«
»Sprechen Sie nur.«
»Ecco, der Mann trug den Koffer mühelos in der linken Hand, weshalb ich den Eindruck hatte, dass nicht viel drin war. Und auf seinen rechten Arm stützte sich die Signora.«
»Hatte sie sich bei ihm eingehängt?«
»Nicht richtig, ihre Hand lag auf seinem Arm. Es sah so aus, ich wiederhole: Es sah so aus, als hinkte die Signora leicht.«
»Dottor Pasquano? Hier ist Montalbano. Störe ich?«
»Ich war gerade dabei, bei einer Leiche einen Y-Schnitt vorzunehmen, aber ich denke, sie wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich für ein paar Minuten unterbreche.«
»Haben Sie am Leichnam von Signora Licalzi irgendwelche Anzeichen dafür gefunden, dass sie gestürzt ist, als sie noch lebte?«
»Das weiß ich jetzt nicht mehr. Ich schaue schnell in den Bericht.«
Er war zurück, noch bevor Montalbano sich eine Zigarette angesteckt
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