Commissario Montalbano 07 - Das kalte Lächeln des Meeres
der Posse zu ergötzen, schreiend davonstoben.
»Signora, ich -«
»Gib's zu, du Mörder, ich beobachte dich schon seit zwei Stunden mit dem Fernglas!«, brüllte die Alte noch lauter.
Montalbano war völlig verdattert. Ohne die Folgen zu bedenken, ließ er die Kordel los, stand auf und wandte sich den beiden zu.
»O Gott! Der ist nackt!«, schrie die Alte und wich zwei Schritte zurück.
»Du Schuft! Du bist des Todes!«, schrie der Alte und wich zwei Schritte zurück.
Und drückte ab. Der ohrenbetäubende Schuss verfehlte den Commissario, den vor allem der Krach erschreckte, um zwanzig Meter. Der Alte, der bei dem Rückstoß weitere zwei Schritte nach hinten getaumelt war, nahm ihn stur wieder ins Visier.
»Was soll das? Sind Sie verrückt geworden? Ich bin -«
»Halt's Maul und keine Bewegung!«, befahl der Alte. »Wir haben die Polizei verständigt. Sie ist gleich da.«
Montalbano rührte sich nicht. Aus dem Augenwinkel sah er die Leiche langsam aufs Meer hinaustreiben. Dann hatte der Herrgott ein Einsehen, und zwei Autos kamen angerast und hielten am Straßenrand. Aus dem ersten stürzten Fazio und Gallo, beide in Zivil. Montalbano war erleichtert, doch das dauerte nicht lange, denn aus dem zweiten Auto stieg ein Fotograf, der ihn unter Beschuss nahm. Fazio hatte den Commissario sofort erkannt und rief dem Alten zu:
»Polizei! Nicht schießen!«
»Und woher weiß ich, ob ihr nicht Komplizen seid?«, lautete die Antwort.
Er richtete den Revolver auf Fazio. Doch das lenkte ihn von Montalbano ab. Und der, stinksauer wie er war, stürzte sich auf den Alten, packte ihn am Handgelenk und entwaffnete ihn. Doch dem kräftigen Schlag auf den Kopf, den ihm die Alte mit der Eisenstange verpasste, konnte er nicht ausweichen. Ihm wurde schwarz vor den Augen, er sank auf die Knie und fiel in Ohnmacht.
Die Ohnmacht musste in Schlaf übergegangen sein, denn als er in seinem Bett erwachte und auf die Uhr sah, war es halb zwölf. Als Erstes nieste er, dann nieste er noch mal und dann noch mal. Er war erkältet, und sein Kopf brummte ziemlich. In der Küche hörte er Adelina, seine Haushälterin.
»Sind Sie wach, Dutturi?«
»Ja, aber der Kopf tut mir weh. Vielleicht hat mir die Alte ja ein Loch reingehauen.«
»Ihr Kopf kriegt doch nicht mal von einer Kanonenkugel ein Loch.«
Das Telefon klingelte, und er wollte aufstehen, doch ein Schwindel zwang ihn zurück ins Bett. Konnte diese verfluchte Alte eine solche Kraft in den Armen haben? Adelina ging dran. Sie sagte:
»Er ist grade aufgewacht. Ist gut, ich sag's ihm.«
Sie erschien mit einer dampfenden Tasse Espresso.
»Der Signor Fazio. Er hat gesagt, dass er nachher kommt, spätestens in einer halben Stunde.«
»Wann bist du denn gekommen, Adeli?«
»Um neun, wie immer, Dutturi. Die haben Sie ins Bett gebracht, und der Signor Gallu ist bei Ihnen geblieben. Da hab ich ihm gesagt, dass ich jetzt bei Ihnen bleib, und da ist er dann gegangen.«
Sie verschwand und kam nach einer Weile wieder, in einer Hand ein Glas und in der anderen eine Tablette.
»Ich hab ein Spirin für Sie.«
Montalbano schluckte es brav. Als er aufrecht im Bett saß, bekam er Schüttelfrost. Adelina holte grummelnd eine Decke aus dem Schrank und breitete sie auf dem Bett aus.
»In Ihrem Alter dürfen Sie so dumme Sachen nicht mehr machen.«
Montalbano verwünschte sie. Er zog sich die Decke über den Kopf und schloss die Augen.
Das Telefon klingelte lange. Wieso ging Adelina nicht dran? Montalbano stand auf und wankte ins andere Zimmer.
»Haddo?«, fragte er mit Näselstimme.
»Dottore? Ich bin's, Fazio. Ich kann leider doch nicht, mir ist was dazwischengekommen.«
»Was Ernsdes?«
»Nein, nicht der Rede wert. Ich schaue am Nachmittag mal vorbei. Gute Besserung.«
Montalbano legte auf und ging in die Küche. Adelina war schon fort, auf dem Tisch lag ein Zettel: Sie haben geschlahfen und ich wolte Sie nich weggen. Komt ja gleich der Sinior Fazziu. Im Külschrank sin Sachen. Adelina.
Montalbano hatte keine Lust, in den Kühlschrank zu schauen, er hatte keinen Appetit. Da merkte er, dass er im Adamskostüm durch die Wohnung lief, wie Journalisten und Leute, die sich für witzig halten, das nennen. Er schlüpfte in Unterhose, Hemd und Hose und setzte sich in den Fernsehsessel. Es war viertel vor eins, Zeit für die Mittagsnachrichten von »Televigata«, dem Sender, der sich stets berufen fühlte, mit der Regierung zu sympathisieren, egal, ob die extreme Linke oder die extreme Rechte
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