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Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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hinfällig, oder?«
    Auch sie hatte daran gedacht, dass jemand Susanna verschleppt haben könnte, um ihr Gewalt anzutun. Montalbano wollte ihr sagen, dass eine Lösegeldforderung Gewalt nicht ausschloss, aber ihm war lieber, wenn sie ohne solche Gedanken schlafen ging.
    »Ja. Gehst du zuerst ins Bad?«
    »Ja, ist gut.«
    Montalbano trat hinaus auf die Veranda, setzte sich und zündete sich eine Zigarette an. Die Nacht war lieblich wie der Schlaf eines unschuldigen Kindes. Es gelang ihm, nicht an Susanna und das Grauen zu denken, das diese Nacht für sie bedeutete.
    Nach einer Weile hörte er drinnen Geräusche. Er stand auf, ging hinein und blieb wie angewurzelt stehen. Livia stand nackt mitten im Zimmer. Zu ihren Füßen eine kleine Pfütze. Offenbar war ihr unter der Dusche etwas eingefallen.
    Sie war wunderschön, aber Montalbano wagte nicht, sich zu rühren. Livias Augen waren schmale Schlitze, ein Zeichen für ein bevorstehendes Donnerwetter, wie er längst wusste.
    »Du … du …«, sagte Livia mit ausgestrecktem Arm und anklagendem Zeigefinger.
    »Was ich?«
    »Wann hast du von der Entführung erfahren?«
    »Heute Morgen.«
    »Als du ins Kommissariat kamst?«
    »Nein, vorher.«
    »Wann vorher?«
    »Weißt du das denn nicht mehr?«
    »Ich will es von dir hören.«
    »Als das Telefon geklingelt hat und du aufgewacht bist und Kaffee gemacht hast. Erst war Catarella dran, da habe ich nichts kapiert, und dann Fazio, der mich über das Verschwinden des Mädchens informiert hat.«
    »Und was hast du dann gemacht?«
    »Geduscht und mich angezogen.«
    »Oh nein, du widerlicher Heuchler! Du hast mich auf dem Küchentisch flachgelegt! Du Monster! Wie kannst du nur mit mir schlafen, während ein armes Mädchen …«
    »Livia, überleg doch mal. Als ich angerufen wurde, war mir der Ernst der Lage nicht klar …«
    »Siehst du, der Journalist hat Recht, wie heißt der noch mal, der gesagt hat, dass du unfähig bist und nichts begreifst! Oh nein, du bist noch schlimmer! Du bist ein Unmensch! Ein Scheusal!«
    Sie lief ins Schlafzimmer, und der Commissario hörte, wie sie den Schlüssel im Schloss umdrehte. Er ging hinterher und klopfte an.
    »Komm, Livia, übertreibst du nicht ein bisschen?«
    »Nein. Du schläfst heute Nacht auf dem Sofa.«
    »Da schläft man miserabel! Ich bitte dich, Livia! Ich kann da nicht schlafen!«
    Keine Antwort. Er appellierte an ihr Mitleid.
    »Dann tut mir bestimmt die Wunde wieder weh!«, jammerte er.
    »Pech gehabt.«
    Montalbano wusste, dass sie durch nichts zu erweichen war. Er musste sich in sein Schicksal fügen. Er fluchte leise. Wie zur Antwort klingelte das Telefon. Fazio war dran.
    »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nach Hause gehen und schlafen!«
    »Ich wollte aber nicht weg, Dottore.«
    »Was gibt’s denn?«
    »Gerade haben sie angerufen. Dottor Minutolo fragt, ob Sie auf einen Sprung vorbeischauen könnten.«
    Er fuhr, so schnell er konnte, und hielt vor der geschlossenen Einfahrt an. Unterwegs war ihm eingefallen, dass er Livia nichts gesagt hatte. Er hätte ihr trotz allem Bescheid geben müssen, dass er noch mal wegmusste. Und sei es nur, um eine weitere Szene zu vermeiden – Livia dachte womöglich, er sei aus Trotz ins Hotel gezogen.
    Egal.
    Und wie ging jetzt das Tor auf? Er untersuchte es im Scheinwerferlicht, es gab keine Klingel, keine Sprechanlage, nichts. Da blieb ihm nur die Hupe, und er hoffte, nicht so lange draufdrücken zu müssen, dass die ganze Stadt aufwachte. Er hupte einmal ganz kurz und vorsichtig und sah gleich darauf einen Mann aus dem Haus treten. Der Mann hantierte mit dem Schlüssel, öffnete das Tor, Montalbano fuhr in den Hof und stieg aus. Der Mann, der ihn hereingelassen hatte, stellte sich vor.
    »Ich bin Carlo Mistretta.«
    Der Arzt war Mitte fünfzig, untersetzt, gut gekleidet und sah mit seiner Goldrandbrille, dem rosigen Gesicht, dem schütteren Haar und dem Bäuchlein aus wie ein Bischof in Zivil. Er fuhr fort:
    »Ich weiß von Ihrem Kollegen, dass die Entführer angerufen haben, und bin sofort gekommen, weil es Salvatore schlecht ging.«
    »Und wie geht es ihm jetzt?«
    »Ich hoffe, dass er schlafen kann.«
    »Und seine Frau?«
    Der Arzt breitete wortlos die Arme aus.
    »Sie weiß also noch nichts von …«
    »Nein, um Gottes willen. Salvatore hat ihr gesagt, Susanna sei wegen ihrer Prüfungen in Palermo. Meine arme Schwägerin ist nicht gerade klar im Kopf, manchmal ist sie stundenlang völlig weggetreten.«
    Im Salon war niemand außer

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