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Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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normal, sie reden und bewegen sich wie immer.
    Dann gibt es eine dritte Kategorie: Diese Auserwählten drücken sich vor einer Fernsehkamera mit einem Mal vollkommen klar und verständlich aus. Mistretta gehörte letzterer Kategorie an. Er sprach wenig, aber was er sagte, war klar und präzise. Er teilte mit, die Entführer seiner Tochter Susanna seien im Irrtum: Welche Summe auch immer für die Freilassung gefordert werde, die Familie sei nicht in der Lage, sie aufzubringen. Die Entführer sollten sich besser informieren. Es bleibe also nur eines, nämlich Susanna sofort wieder freizulassen. Wenn aber die Entführer etwas anderes wollten, worüber er nicht im Bilde sei und was er sich auch nicht vorstellen könne, sollten sie es bitte sagen. Er werde alle Hebel in Bewegung setzen, um ihre Forderungen zu erfüllen. Das war’s. Die Stimme klang fest, die Augen waren trocken. Mistretta war zwar aufgewühlt, aber ohne Angst. Mit dieser Erklärung hatte er die Wertschätzung und die Achtung der Zuschauer gewonnen.
    »Das ist mal ein richtiger Mann«, sagte Livia.
    Der Reporter verwies auf weitere Meldungen nach dem Kommentar zu dem Vorfall, der unzweifelhaft das Ereignis des Tages war. Das Hühnerarschgesicht von Pippo Ragonese, dem Starreporter von »Televigàta«, kam ins Bild. Er schickte voraus, jeder wisse um die bescheidenen Verhältnisse des Geologen Mistretta und seiner Frau, die jetzt schwer krank sei und der er, Ragonese, alles erdenklich Gute wünsche. Früher sei sie reich gewesen, dann aber habe sie durch einen Schicksalsschlag alles verloren. Daher sei, wie der arme Vater in seinem Appell ganz richtig gesagt habe, die Entführung des Mädchens – sofern es sich um Erpressung handele, und er wolle keine andere schlimme Vermutung anstellen – ein tragischer Irrtum. Es sei doch jedem bekannt, dass die Familie Mistretta praktisch in würdiger Armut lebe. Nur nicht den Ausländern, den Immigranten, die offensichtlich schlecht informiert seien. Man könne nicht leugnen, dass die Kriminalität einen kritischen Pegel erreicht, wenn nicht gar überstiegen habe, seit die Illegalen invasionsartig an den Küsten des Landes einfielen. Warum zögerten die lokalen Regierungsvertreter, ein bereits bestehendes Gesetz strikt anzuwenden? Er persönlich finde eine Meldung am Rande des Entführungsfalls tröstlich: Die Ermittlungen leite der tüchtige Commissario Filippo Minutolo vom Polizeipräsidium Montelusa und nicht der so genannte Commissario Montalbano, der eher für zweifelhafte Heldentaten und wenig orthodoxe, oftmals entschieden subversive Ansichten bekannt sei als dafür, die ihm anvertrauten Fälle auch zu lösen. Damit gute Nacht allerseits.
    »Blödmann«, meinte Livia und schaltete den Fernseher aus.
    Montalbano sagte lieber nichts. Mittlerweile juckte es ihn nicht mehr, wenn Ragonese so über ihn redete. Das Telefon klingelte. Gallo rief an.
    »Ich bin gerade fertig geworden, Dottore. Nur in einem Haus war niemand, aber das ist wohl schon lange unbewohnt. Die Antwort war überall gleich. Niemand kennt Susanna, und keiner hat gestern Abend ein Mädchen auf einem Roller vorbeifahren sehen. Aber eine Frau meinte, auch wenn sie nichts gesehen hat, muss das noch lange nicht heißen, dass niemand vorbeigefahren ist.«
    »Wieso erzählst du mir das?«
    »Die Häuser dort haben Garten und Küche nach hinten raus, nicht zur Straße hin.«
    Er legte auf. Die kleine Enttäuschung ließ ihn mit einem Mal todmüde werden.
    »Was meinst du, gehen wir schlafen?«
    »Ja«, sagte Livia, »aber warum hast du mir von dieser Entführung nichts erzählt?«
    Er wollte schon sagen: »Weil du mich nicht hast zu Wort kommen lassen«, bremste sich aber gerade noch. Damit hätte er bestimmt eine heftige Szene vom Zaun gebrochen. So machte er nur eine unbestimmte Geste.
    »Bist du wirklich von den Ermittlungen ausgeschlossen, wie dieser cornuto, dieser Wichser von Ragonese behauptet?«
    »Gratuliere, Livia.«
    »Wozu?«
    »Du vigatisierst dich allmählich. Du nennst Ragonese einen cornuto. Cornuto ist ein Lieblingswort der Ureinwohner.«
    »Du hast mich eben angesteckt. Jetzt sag schon, ob du wirklich …«
    »Nicht ganz. Ich soll mit Minutolo zusammenarbeiten. Er war von Anfang an mit dem Fall betraut. Ich war ja noch beurlaubt.«
    »Erzähl von der Entführung, während ich aufräume.«
    Der Commissario erzählte ihr alles, was es zu erzählen gab. Livia wirkte bedrückt.
    »Wenn sie Lösegeld fordern, wäre jede andere Vermutung

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