Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
wie am Morgen?«
»Ich meine… schon.«
»Haben Sie über diesen zweiten Anruf mit Lo Duca gesprochen?«
»Nein. Hätte ich das tun sollen?«
»Nicht unbedingt. Also gut, Rachele, ich …«
»Warten Sie!«
Eine Stille von einer halben Minute trat ein. Die Leitung war jedoch nicht unterbrochen, denn Montalbano hörte Rachele atmen. Dann sagte sie leise:
»Ich hab verstanden.«
»Was haben Sie verstanden?«
»Das, was Sie vermuten.«
»Soll heißen?«
»Dass derjenige, der mich zweimal angerufen hat, nicht vom Gestüt war. Sondern dass es einer von denen war, die das Pferd gestohlen und umgebracht haben. Ist es so?« Raffiniert, schön und intelligent. »So ist es.«
»Und warum haben die das gemacht?«
»Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen das noch nicht sagen.«
Eine Pause entstand.
»Ach, hören Sie: Gibt es irgendetwas Neues von Lo Ducas Pferd?«
»Da haben sich die Spuren verloren.«
»Wie seltsam.«
»Also dann, Rachele, ich habe sonst keine weiteren …«
»Ich wollte Ihnen noch etwas sagen.«
»Sagen Sie's.«
»Sie… sind mir sehr sympathisch. Ich finde es schön, mich mit Ihnen zu unterhalten, mit Ihnen zusammen zu sein.«
»Danke«, sagte Montalbano leicht verwirrt, da er nicht wusste, was er sonst hätte sagen sollen. Sie lachte. Und er sah sie vor sich, nackt, in der Badewanne, wie sie lachend den Kopf in den Nacken warf. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
»Morgen werden wir, glaube ich, kaum die Möglichkeit haben, für einen Moment ungestört zu sein, nur wir beide … Obwohl man wahrscheinlich …« Sie unterbrach sich, als wäre ihr etwas eingefallen. Montalbano wartete einen Augenblick und räusperte sich dann leise, ganz wie in englischen Romanen. Da sprach sie weiter.
»Jedenfalls habe ich beschlossen, noch drei oder vier Tage in Montelusa zu bleiben, ich meine, ich hätte Ihnen das schon gesagt. Und ich hoffe, dass wir dann noch mal Gelegenheit haben, uns wiederzusehen. Bis morgen dann, Salvo.«
Er duschte und setzte sich anschließend zum Essen auf die Veranda. Adelina hatte ihm einen Kraken-Salat vorbereitet, der für vier gereicht hätte, und ein paar Riesenkrabben, die nur noch mit Olivenöl, Zitrone, Salz und schwarzem Pfeffer angemacht werden mussten.
Er aß und trank, wobei ihm lauter Blödsinn durch den Kopf ging.
Dann stand er auf und rief Livia an.
»Warum hast du mich gestern Abend nicht angerufen?«, war ihre erste Frage.
Konnte er ihr denn sagen, dass er sich mit Ingrid zusammen betrunken und darüber ganz vergessen hatte, sie anzurufen? »Ich konnte wirklich nicht.«
»Und warum nicht?«
»Ich war beschäftigt.«
»Mit wem?«
Mein Gott, immer diese Fragerei!
»Was heißt da, mit wem? Mit meinen Männern.«
»Was habt ihr denn gemacht?«
Jetzt reichte es ihm aber wirklich.
»Wir haben eine Wette abgeschlossen.«
»Eine Wette?!«
»Wer den größten Mist erzählt.«
»Und du hast natürlich gewonnen. Auf diesem Gebiet bist du ja unschlagbar!«
Und so begann der übliche, entspannende Gutenachtstreit.
Sechs
Nach diesem Telefonat war ihm die Lust vergangen, gleich zu Bett zu gehen. Er kehrte auf die Veranda zurück und setzte sich. Er musste sich ablenken, indem er an etwas dachte, das weder mit Livia noch mit dieser Pferdegeschichte zu tun hatte.
Die Nacht war ruhig, wenn auch sehr dunkel, nur mit Mühe konnte man die schimmernde Oberfläche des Meeres erkennen. Genau auf Höhe der Veranda, weit draußen, war das Licht einer Laterne zu sehen, die durch die Dunkelheit näher schien, als sie in Wirklichkeit war. Mit einem Mal kam es ihm so vor, als würde er zwischen Gaumen und Zunge den Geschmack einer frisch frittierten Seezunge spüren. Er musste schlucken. Er war zehn Jahre alt gewesen, als sein Onkel ihn zum ersten und letzten Mal mitgenommen hatte, um nachts bei Laternenschein zu fischen. Allerdings hatte der Onkel vorher den ganzen Abend lang mit seiner Frau debattieren müssen. »Und wenn der Junge ins Wasser fällt?«
»Wie kommst du denn auf so was? Na, und wenn er reinfällt, fischen wir ihn eben wieder raus. Wir sind ja immerhin zu zweit, ich und Ciccino.«
»Und wenn ihm kalt wird?«
»Gib mir einen Pullover mit. Wenn ihm kalt wird, zieh ich ihm den an.«
»Und wenn er müde wird?«
»Dann legt er sich unten ins Boot.«
»Und du, Salvuzzo, willst du denn überhaupt mit?«
»Nun ja…«
Nichts hatte er sich mehr erträumt, wann immer der Onkel fischen ging. Am Ende hatte seine Tante eingewilligt, nicht ohne ihm
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