Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
man also sonntags Zeit gehabt, jemand zu ermorden? Daher beschloss Salvo Montalbano, sich später als sonst unter die Dusche zu stellen, denn er war sicher, dass ihn kein Anruf von Catarella stören würde. Er stand auf und öffnete die Glastür. Nicht ein Wölkchen am Himmel, nicht der kleinste Lufthauch. Er ging in die Küche, kochte sich Kaffee und goss sich zwei Tassen ein. Eine trank er noch in der Küche, die andere nahm er mit ins Schlafzimmer. Er griff nach Zigaretten, Feuerzeug und Aschenbecher, stellte sie auf das Nachtschränkchen und setzte sich, mit zwei Kissen im Rücken, aufrecht ins Bett. Er trank den Espresso tröpfchenweise, zündete sich danach eine Zigarette an und genoss den ersten Zug doppelt. Zum einen wegen des Nikotinaromas, welches dem des Kaffees folgte, zum anderen, weil ihm jetzt jene Aufforderung erspart blieb, die unweigerlich immer folgte, wenn Livia neben ihm lag:
»Entweder machst du die Zigarette aus oder ich steh auf und gehe! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich nicht will, dass du im Schlafzimmer rauchst?« Woraufhin er dann notgedrungen die Zigarette ausdrückte. Jetzt dagegen konnte er ein ganzes Päckchen rauchen, und das gesamte Universum mit allem darin konnte ihn mal kreuzweise…
»Wäre es nicht angebracht, ein bisschen an die Ermittlung zu denken?«, fragte ihn Montalbano der Erste.
»Jetzt gönn ihm doch mal ein wenig Ruhe«, mischte sich Montalbano der Zweite ein, der mit Montalbano dem Ersten ständig im Streit lag.
»Für einen Polizisten, der seinen Beruf ernst nimmt, ist der Sonntag ein Arbeitstag wie jeder andere!«
»Selbst der liebe Gott hat sich am siebten Tag ausgeruht!« Montalbano tat so, als würde er die beiden gar nicht hören, und rauchte weiter. Als er fertig war, streckte er sich der Länge nach im Bett aus und versuchte, die Augen wieder zu schließen.
Ganz langsam, nach und nach, begann ein sanfter süßer Duft ihm in die Nase zu steigen, ein Duft, der ihm unversehens das Bild der nackten Rachele in der Badewanne vor sein geistiges Auge zauberte …
Da wurde ihm klar, dass Adelina den Bezug des Kissens nicht gewechselt hatte, auf dem Ingrid zwei Nächte zuvor mit dem Kopf gelegen hatte, und dass die Wärme seines Körpers jetzt den Duft ihrer Haut freisetzte. Er versuchte, ihm ein paar Minuten lang zu widerstehen, aber es war unmöglich, und so musste er aufstehen, um einen gefährlichen Aufruhr in südlichen Gefilden zu vermeiden. Die einigermaßen kalte Dusche vertrieb diese schlimmen Gedanken.
»Wieso denn schlimm?«, schaltete sich Montalbano der Erste ein. »Das sind doch alles gute und gesegnete Gedanken!«
»In seinem Alter?«, fragte Montalbano der Zweite hinterhältig.
Als er sich anziehen wollte, stand er vor einem Problem. Sonntags kam Adelina nicht, also musste er notgedrungen zu Enzo fahren. Doch bei Enzo bekam man vor halb eins nichts zu essen. Und bis er eineinhalb Stunden später aus der Trattoria käme, war es zwei.
Würde er anschließend die Zeit haben, noch einmal nach Marinella zurückzukehren und sich umzuziehen, bevor Ingrid kam? Die würde mit schwedischer Pünktlichkeit Schlag drei Uhr bei ihm auftauchen. Nein, es war besser, sich gleich richtig anzuziehen. Aber was denn nur? Für das Rennen würde sportliche Kleidung völlig ausreichen. Doch für das Abendessen? Sollte er vielleicht einen Koffer mit einem Anzug zum Wechseln mitnehmen? Nein, das wäre albern. Er entschied sich für einen grauen Anzug, den er bisher nur zweimal getragen hatte, zu einer Trauerfeier und zu einer Hochzeit. Alles war tadellos, Hemd, Krawatte, auf Hochglanz polierte Schuhe. Er betrachtete sich im Spiegel - und kam sich lächerlich vor.
Er zog alles bis auf die Unterhose wieder aus und setzte sich verzweifelt aufs Bett.
Plötzlich fiel ihm ein, dass es vielleicht doch eine Lösung gab: nämlich Ingrid anzurufen und ihr zu sagen, man habe ihm in den Kopf geschossen, zum Glück sei es aber nur ein Streifschuss gewesen, und dass er daher… Und wenn Ingrid dann vor lauter Angst und Sorge nach Marinella gerast käme? Kein Problem. Sie würde ihn im Bett vorfinden, mit einem dicken Verband um den Kopf, denn Mull und Binden hatte er nun wirklich massenweise im Haus …
»Nun versuch mal, ernst zu sein!«, sagte Montalbano der Erste. »Das sind doch alles nur Vorwände! Die Wahrheit ist, dass du keine Lust auf diese Leute hast!«
»Und wenn er keine Lust hat, dann soll er sich dazu zwingen? Wo steht denn geschrieben, dass er unbedingt
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