Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
Armando mit einer Stimme so hauchdünn wie ein Fädchen. »Dann gehen wir am besten gleich zu ihnen. Nehmen Sie das hier«, sagte sie und reichte ihm den Kleidersack, »und lassen Sie es auf das Zimmer von Signora Esterman bringen.«
Armando ergriff den federleichten Kleidersack mit einer Hand, doch dessen Gewicht ließ ihn zur Seite wanken. Montalbano stützte ihn. Dieser Mann hätte wahrscheinlich auch gewankt, wenn sich eine Fliege auf seiner Schulter niedergelassen hätte.
Sie durchquerten eine Eingangshalle, die aussah wie die eines Zehn-Sterne-Hotels im viktorianischen Stil, anschließend einen weitläufigen Saal, dessen Wände mit Ahnenporträts zugepflastert waren, dann einen noch größeren Saal voller Rüstungen, der eine ganze Flucht von Glastüren hatte, die zu einer Allee hin offen standen. Bisher hatten sie niemand getroffen, abgesehen von dem Zuchthäusler und dem Majordomus. »Wo sind denn nun die anderen?«
»Die sind schon da draußen. Komm schnell.« Die riesige Allee führte fünfzig Meter weit geradeaus, dann teilte sie sich in zwei schmalere Wege, von denen der eine nach rechts, der andere nach links verlief. Kaum war Ingrid in den linken Weg eingebogen, der von hohen Hecken eingefasst war, drang ein lautes Gewirr menschlicher Stimmen, Rufe und Gelächter zu Montalbano herüber.
Und unversehens fand er sich auf einer Wiese mit Tischen und Stühlen, Sonnenschirmen und Liegestühlen wieder. Dort standen auch zwei lange Tafeln mit Essen und Getränken und den dazugehörigen Kellnern in weißen Jacken. Daneben befand sich ein Holzhäuschen mit einem Fenster an der Rückseite, vor dem ein Mann stand, und an der Vorderseite wartete eine Menschenschlange. Auf der Wiese drängten sich dicht an dicht an die dreihundert Menschen, Männer und Frauen - manche saßen, manche standen -, und redeten und lachten. Hinter der Wiese konnte man das sogenannte Hippodrom erkennen. Die Menschen waren gekleidet, dass man denken konnte, es wäre Karneval: Unter den Männern gab es einige, die wie Reitlehrer aussahen, andere mit prächtigen Zylindern wirkten wie auf einem Empfang der Königin von England; manche trugen Jeans und Rollkragenpullover, wieder andere waren im Tiroler Anzug und noch andere in der Uniform eines Försters (so zumindest kam es ihm vor), einer hatte sich sogar als Araber verkleidet, und einer war in Shorts und Strandsandalen erschienen. Unter den Frauen gab es welche, die Hüte so groß wie Hubschrauberlandeplätze aufhatten, andere trugen Miniröcke, die gerade mal das Allernötigste bedeckten, und wieder andere so lange Kleider, dass jeder, der an ihnen vorbeiging, sich unweigerlich darin verheddern, stürzen und sich das Genick brechen musste; eine trug Breeches und eine andere ein Reitkostüm aus dem neunzehnten Jahrhundert, ein junges Mädchen um die zwanzig steckte in knallengen Jeans, was sie sich jedoch erlauben konnte angesichts des bemerkenswerten Hinterteils, mit dem Mutter Natur sie ausgestattet hatte.
Als Montalbano sich sattgesehen hatte, merkte er, dass Ingrid nicht mehr neben ihm stand und er sie im Getümmel verloren hatte. Ihn überkam unbändige Lust, dem Ganzen den Rücken zu kehren, die Allee zurückzugehen, die großen Salons der Villa zu durchqueren, bis er zu Ingrids Auto gelangte, sich hineinzusetzen und … »Sie sind doch Commissario Montalbano!«, sagte eine männliche Stimme.
Er drehte sich um. Die Stimme gehörte zu einem Mann um die vierzig, spindeldürr und ellenlang, in einem kaki-farbenen Tropenanzug mit kurzer Hose, Kniestrümpfen, einem Tropenhelm auf dem Kopf und einem Fernglas über der Schulter. Er hatte sogar eine Pfeife im Mund. Vielleicht glaubte er ja, in Indien zu sein, als es noch englische Kolonie war. Der Mann streckte ihm seine verschwitzte, weiche Hand entgegen, die sich anfühlte wie nasses Brot. »Freut mich wirklich sehr! Ich bin Marchese Ugo Andrea di Villanella. Sind Sie verwandt mit dem Tenente Colombo ?«
»Mit dem Tenente der Carabinieri von Fiacca? Nein, ich bin nicht…«
»Ich meinte nicht den Tenente der Carabinieri, sondern den aus dem Fernsehen, Sie wissen schon, den mit dem Trenchcoat und der Frau, die man nie zu sehen bekommt …«
War der nun so blöd oder wollte er ihn nur verarschen? »Nein, ich bin der Zwillingsbruder von Commissaire Maigret«, antwortete er kurz angebunden. Der andere wirkte enttäuscht. »Den kenne ich nicht, bedaure.«
Mit diesen Worten ließ er Montalbano stehen. Eindeutig ein Blödmann, noch dazu
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