Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
einschüchtern lässt und nach der Pfeife anderer tanzt wie irgendein Hampelmann oder sonst ein dahergelaufenes Großmaul. Hatte er jemals auch nur mit einer winzig kleinen Geste oder Andeutung Anlass dazu gegeben, dass man so etwas über ihn denken konnte?
Doch sie würden es ganz sicher nicht dabei bewenden lassen. Denn sie hatten deutlich gemacht, dass sie unter Zugzwang standen. »Tu, was du zu tun hast.«
Vielleicht hatte Fazio ja recht damit, dass alles, was ihm da gerade widerfuhr, in irgendeiner Beziehung zum Licco-Prozess stand. Irgendwo in seiner Beweisführung, mit der er Licco in den Knast schicken wollte, musste es einen Schwachpunkt geben. Doch er konnte ihn nicht genau lokalisieren. Mit Sicherheit hatten Liccos Anwälte diesen Schwachpunkt bemerkt und darüber mit den Cuffaros gesprochen. Und die waren dann tätig geworden. Morgen früh musste er als Erstes noch einmal die Akte Licco durchlesen.
Das Telefon klingelte. Er ließ es klingeln. Nach einer Weile hörte es zu läuten auf. Wenn sie ihn beobachteten, würden sie sehen, dass er sich keineswegs aus der Ruhe bringen ließ - er stand nicht einmal auf, um ranzugehen. Als die Müdigkeit sich bemerkbar machte und er ins Haus ging, beschloss er, die Verandatür angelehnt zu lassen; so brauchten sie sie nicht noch ein drittes Mal aufzubrechen, sollten sie die Absicht hegen, ihm einen nächtlichen Besuch abzustatten.
Er ging ins Bad, legte sich hin, und kaum lag er zwischen den Bettlaken, klingelte das Telefon noch einmal. Dieses Mal stand er auf und ging dran. Es war Livia.
»Warum bist du vorhin nicht drangegangen?«
»Wann vorhin?«
»Vor knapp einer Stunde.«
Dann war sie das also gewesen.
»Vielleicht stand ich da gerade unter der Dusche und habe es nicht gehört.«
»Geht's dir gut?«
»Ja, und dir?«
»Auch gut. Ich wollte dich etwas fragen.«
Das war jetzt das zweite Mal. Erst Ingrid, dann Livia. Alle hatten sie Fragen an ihn. Ingrid hatte er mit einer halben Lüge geantwortet. Sollte er das mit Livia jetzt genauso machen? Ganz nach dem Sprichwort, das er sich gerade selbst ausgedacht hatte: »Hundert Lügen alle Tage, / hält dir fern die Weiberplage.«
»Dann frag.«
»Hast du in den nächsten Tagen viel zu tun?«
»Nicht übermäßig viel.«
»Ich würde nämlich wahnsinnig gern ein paar Tage in Marinella mit dir verbringen. Ich könnte den Flug morgen Nachmittag um drei nehmen und …«
»Nein!«
Es musste sich wie ein Aufschrei angehört haben. »Danke!«, sagte Livia nach einer Pause. Und legte auf.
Heilige Muttergottes! Wie sollte er ihr denn nur erklären, dass dieses Nein ihm aus tiefster Seele kam, weil er Angst hatte, sie in diese verdammte Geschichte hineinzuziehen, in der er bis zum Hals drinsteckte?
Gesetzt den Fall, die fingen, während Livia bei ihm war, zu schießen an und sei es auch nur zur Demonstration ihrer Präsenz? Nein, Livia in Marinella, das war derzeit ein Ding der Unmöglichkeit.
Er rief sie zurück, wenn er auch nicht damit rechnete, dass sie abnahm. Doch Livia ging ans Telefon. »Aber nur weil ich neugierig bin.«
»Auf was?«
»Auf die Ausrede, die du dir für dieses Nein aus den Fingern saugen wirst.«
»Ich verstehe ja, dass dir das einen Stich versetzt haben muss. Aber schau mal, Livia, hier geht es nicht um Ausreden, das musst du mir glauben, sondern um die Tatsache, dass in den letzten Tagen dreimal bei mir eingebrochen wurde und …«
Livia begann schallend zu lachen und kriegte sich gar nicht mehr ein.
Was gab's denn da zu lachen? Durfte man das vielleicht mal erfahren? Du sagst ihr, dass in deinem Haus Einbrecher nach Belieben ein und aus gehen, und von ihrer Seite kommt nicht nur kein Trost, sondern sie findet das alles auch noch zum Totlachen. Das nennt man wahres Mitgefühl! Langsam wurde er wütend. »Hör mal, Livia, ich versteh wirklich nicht…«
»Einbrecher im Haus des berühmten Commissario Montalbano! Hahaha!«
»Wenn du dich dann vielleicht mal wieder beruhigen …«
»Hahaha!«
Auflegen? Geduldig sein? Zum Glück hatte sie sich anscheinend wieder gefangen.
»Entschuldige, aber das hörte sich wirklich zu komisch an!« Das war es ja eben! Genau so hätten auch die Leute reagiert, wenn das Ganze öffentlich bekannt geworden wäre. »Ich erzähl dir, was passiert ist. Eine seltsame Geschichte. Die sind nämlich auch heute Nachmittag noch mal hier gewesen, verstehst du?«
»Was haben sie denn gestohlen?«
»Nichts.«
»Nichts?! Erzähl schon!«
»Vor drei Tagen
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