Commissario Montalbano 12 - Die Spur des Fuchses
getroffen hat. Also?«
»Du kannst mir glauben, das war vielleicht ein Tag heute, den…«
»Schwörst du mir, dass das jetzt nicht wieder irgendeine Ausrede ist?«
»Schwören tu ich es dir nicht, aber es ist wirklich keine.«
»Dann ist's ja gut, ich dachte schon, dich hätte nach gut katholischer Manier der Abscheu vor der Frau gepackt, die dich zur Sünde verführt hat.«
»Du solltest das jetzt nicht auf dieses Niveau heben.«
»Warum denn nicht?«
»Ich könnte dir sonst antworten, dass das zwischen mir und Rachele ein Tauschhandel im gegenseitigen Einvernehmen war, wie du das so schön genannt hast. Und sofern Signora Esterman keine diesbezüglichen Klagen hat…«
»Die hat sie nicht. Ganz im Gegenteil.«
»… besteht ja wohl kein Grund, dass wir darüber reden, meinst du nicht auch?« Ingrid schien gar nicht zugehört zu haben. »Dann sage ich ihr also, sie soll dich später zu Hause anrufen?«
»Nein. Besser morgen früh im Büro. Jetzt muss ich … weg.«
»Wirst du mit ihr reden?«
»Versprochen.«
Nach zwei Stunden mühseliger Arbeit, des Hinkniens und Wiederaufstehens, des Hierhin- und Dorthin-Räumens, des Ziehens und Schiebens sah das Schlafzimmer wieder so aus wie vorher.
Normalerweise hätte er jetzt etwas gegessen, aber er hatte keinen Appetit.
Er setzte sich auf die Veranda und zündete sich eine Zigarette an.
Plötzlich kam ihm in den Sinn, dass er ein perfektes Ziel abgeben musste, so wie er jetzt dasaß, bei angeschalteter Verandabeleuchtung in der tiefschwarzen Nacht. Doch er war sich sicher, dass sie nicht die Absicht hatten, ihn umzubringen, und das hatte er nicht nur gesagt, um Fazio zu beruhigen, sondern weil er zutiefst davon überzeugt war. Zumal er, wie üblich, die Pistole im Handschuhfach gelassen hatte.
Aber auch wenn sie beschlossen hatten, auf ihn zu schießen, wie hätte er sich denn schon verteidigen sollen? Mit einer Pistole, die womöglich beim zweiten Schuss klemmte, wie es Galluzzo gerade erst passiert war, gegen drei Kalaschnikows?
Sollte er also doch zum Schlafen ins Kommissariat fahren, wie Fazio es ihm geraten hatte? Ach, was!
Sobald er das Haus verlassen hätte, um essen zu gehen oder irgendwo einen Espresso zu trinken, hätte ihn doch schon der übliche Motorradfahrer mit Vollvisierhelm auf dem Kopf mit einer Ladung Blei vollgepumpt.
Immer mit Begleitschutz unterwegs sein? Aber ein Begleitschutz, dafür gab es ja hinreichend Beweise, hatte noch nie einen Mord verhindern können.
Allenfalls hatte sich dadurch die Zahl der Toten erhöht: nicht nur das ausgewählte Opfer, sondern auch noch die zwei oder drei Männer des Begleitschutzes. Und der Mord wäre trotzdem unvermeidlich gewesen. Denn derjenige, der da auf dich zukommt, um dich zu töten, weiß sehr genau, was er zu tun hat, das hat er möglicherweise zigmal geprobt und simuliert, wohingegen die Leute vom Personenschutz, die ausgebildet sind, auf Schüsse zu reagieren, das heißt, erst zu schießen, nachdem sie angegriffen wurden, also zur Verteidigung und nicht zum Angriff, nichts über die Absichten desjenigen wissen, der da auf dich zukommt. Und wenn sie es dann begriffen haben, also ein paar Sekunden danach, ist es bereits zu spät: Diese Differenz von Sekunden zwischen Angriff und Verteidigung ist die Trumpfkarte des Mörders. Kurz gesagt, wer Waffen benutzt, um zu morden, ist dem, der Waffen zum Schutz einsetzt, gedanklich immer den entscheidenden Schritt voraus.
Wie dem auch sei, er war nervös, das konnte er nicht leugnen.
Nervös, nicht eingeschüchtert. Und auch zutiefst gedemütigt.
Als er das Haus so auf den Kopf gestellt gesehen hatte, hatte er ein Gefühl von Scham empfunden. Sicher, der Vergleich hinkte, aber er konnte nun zumindest ansatzweise nachvollziehen, warum Frauen sich oft schämten, Anzeige wegen Vergewaltigung zu erstatten.
Sein Haus, und damit auch er selbst, war auf brutale Weise vergewaltigt, von fremder Hand auf den Kopf gestellt worden, und nur weil er so getan hatte, als würde er den Vorfall von der komischen Seite nehmen, war er überhaupt in der Lage gewesen, mit Fazio darüber zu sprechen. Das jemand gewagt hatte, sein Haus zu durchwühlen, hatte ihn schwer erschüttert, viel mehr als der Versuch, es niederzubrennen. Und dann noch dieser demütigende Anruf. Wobei es hier weder um den Ton noch um die abschließende Beschimpfung ging.
Die Demütigung bestand darin, dass jemand überhaupt auf die Idee kommen konnte, er wäre ein Mann, der sich
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