Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
Gewicht erhält.
– Wusste Mimì Augello, dass ich früher oder später die Leiche des Mannes seiner Geliebten identifiziert hätte?
– Wenn ja, wie konnte Mimì dann wissen, dass die Leiche die von Giovanni Alfano war, noch bevor wir den Toten vom Critaru mit Dolores in Verbindung brachten?
– Wird Mimì schwer unter Druck gesetzt, wird er sexuell von Dolores erpresst, damit er die Ermittlung übertragen bekommt?
– Ist Mimì klar, dass er gänzlich gegen seinen Willen Druck auf mich ausübt, weil er es nicht über sich bringt, Dolores etwas abzuschlagen?
– Ist es zwischen den beiden genau deswegen zu schrecklichen Auseinandersetzungen gekommen? Wäre denkbar, wenn Fabio Giacchetti eine solche beobachtet hat.
– Wer hat Mimì gesagt, dass die Leiche vom Critaru die des Mannes seiner Geliebten ist? Das konnte niemand anders als Dolores sein.
– Wusste Dolores also, dass ihr Mann nicht nur nicht an Bord gegangen, sondern auch ermordet worden war?
– Warum erscheint Dolores im Kommissariat, als die unbekannte Leiche entdeckt wird? Darauf gibt es nur eine Antwort: Weil sie durch geschickte, intelligente Regieführung mich zu dem Schluss gelangen lassen will, dass der Tote ihr Mann ist.
– Und sie lässt mich auch noch zu einer anderen unumgänglichen Schlussfolgerung kommen: dass Giovannis Mörder Balduccio Sinagra war.
– Daher gibt es zwei Möglichkeiten. Dolores hat sich an Mimì herangemacht, weil der mein Vize ist und somit über den Gang der Ermittlung informiert ist. Oder Dolores hat erst später entdeckt, dass Mimì mein Vize ist, und dann die Gelegenheit beim Schopf gepackt. In beiden Fällen ändert sich nichts an Dolores’ Zielsetzung.
– Mimì und Dolores hecken daher eine Intrige aus, mit der sie mich zwingen wollen, die Ermittlung Mimì anzuvertrauen.
– Ist es Mimìs Absicht, dass öffentlich bekannt wird, wie beharrlich er mich um diese Ermittlung bittet, damit er langen Diskussionen mit Dolores ausweichen kann?
– Wenn sich die Dinge so verhalten, wie definierst du dann Mimìs Verhalten dir gegenüber?
Und an dieser Stelle musste er abbrechen, denn der Ekel hatte ihn schlagartig wieder erfasst und gab seinem Speichel im Mund einen bitteren Geschmack. Er stand auf und ging hinaus auf die Veranda. Es war noch dunkel. Er setzte sich auf die kleine Bank, denn er war zu erschöpft, um stehen zu bleiben.
Wie sollte er Mimìs Verhalten nennen?
Die Antwort gab es, sie war ihm auf der Stelle eingefallen, aber er wollte sie weder aussprechen noch niederschreiben.
Mimì hatte sein Vertrauen missbraucht, daran bestand keinerlei Zweifel.
Das hatte nichts damit zu tun, dass Mimì eine Geliebte hatte. In diese Dinge wollte er, Montalbano, sich nie einmischen, das waren Mimìs Privatangelegenheiten, und wenn Livia ihn nicht da hineingezogen hätte, hätte er sich ganz sicher auch dieses Mal herausgehalten, obwohl Mimì Ehemann und Vater eines kleinen Jungen war.
Nein, der Vertrauensbruch hatte begonnen, als Mimì irgendwann gemerkt hatte, dass Dolores etwas von ihm wollte, und zwar nicht als Liebhaber, sondern als Polizeibeamter. Es musste ihn in seiner Eitelkeit als Weiberheld schwer getroffen haben, doch er konnte oder wollte trotzdem nicht mit Dolores brechen. Vielleicht war er zu sehr von ihr fasziniert. Und Dolores war eine Frau, die fähig war, einen Mann auf eine Briefmarke zu reduzieren, die an ihrem Körper klebte. Ganz genau, an diesem Punkt hätte Mimì zu ihm kommen und ihm aufrichtig sagen müssen: Hör mal, Salvo, mir ist diese Frau begegnet, dann haben sich die Dinge nun mal so entwickelt, und jetzt musst du mir helfen, irgendwie wieder da rauszukommen. Waren sie denn nun Freunde oder nicht? Aber da war noch mehr.
Mimì hatte ihm nicht nur nichts über die Situation gesagt, in der er sich befand, sondern er hatte sich bei der Entscheidung zwischen Dolores und ihm eindeutig für Dolores entschieden. Er machte mit ihr gemeinsame Sache, um ihn, Montalbano, zu einer bestimmten Handlungsweise zu zwingen. Mimì handelte im Interesse der Frau. Und ein Freund, der nicht in deinem Interesse handelt, sondern im Interesse eines anderen, ohne das zu sagen, was tat der anderes, als die Freundschaft verraten?
Endlich war es ihm gelungen, das Wort auszusprechen. Mimì war ein Verräter.
Dieses Wort, Verräter, das er gerade gedacht hatte, blockierte seine Gedanken. Für einen Augenblick herrschte völlige Leere im Gehirn des
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