Commissario Montalbano 13 - Das Ritual der Rache
früh werde ich mit den anderen beiden sprechen. Wer stand ihm denn am nächsten?«
Dambrusco zögerte keinen Augenblick.
»Michele Tripodi. Er ist draußen.«
»Wie, er ist draußen?«
»Ja, er hat mich mit seinem Auto hergebracht. Mit meinem muss ich morgen nach Mailand fahren, und es ist noch in der Werkstatt.«
»Würden Sie mir einen Gefallen tun? Fragen Sie ihn, ob er nicht jetzt gleich zu mir kommen kann statt morgen früh. Es dauert auch nicht länger als fünf Minuten.«
»Sicher.«
Dreizehn
Auch Michele Tripodi war um die vierzig, doch im Unterschied zu dem kleinen, hageren Dambrusco war er groß, athletisch, sympathisch, ein blendend aussehender Mann.
»Carlo hat mir erzählt, dass Giovanni verschwunden wäre. Stimmt das? Weiß Dolores es schon?«
»Signora Dolores war es, die den Stein ins Rollen gebracht hat.«
»Wann soll er denn verschwunden sein? Als Dolores von Gioia Tauro zurückkehrte, hat sie mir gesagt, dass Giovanni ordnungsgemäß an Bord gegangen sei.«
»Das hat Giovanni ihr weisgemacht oder man hat ihn gezwungen, ihr das weiszumachen.«
Michele Tripodis Gesicht verdüsterte sich.
»Das gefällt mir nicht«, sagte er.
»Was?«
»Der Satz, den Sie da gerade gesagt haben. Giovanni hintergeht Dolores nicht, und er hat auch keinen Grund, ihr etwas weiszumachen, was nicht zutrifft.«
»Sind Sie sich da sicher?«
»Worüber?«
»Über beides.«
»Hören Sie, Commissario. Giovanni ist so sehr in Dolores verliebt und körperlich von ihr angezogen, dass er mit einer anderen Frau, so hat er es mir einmal gesagt, mit Sicherheit gar nichts anfangen könnte.«
»Hatte er Feinde?«
»Ich weiß nicht, ob er während der langen Zeiten auf See … Ich denke, wenn dem so wäre, hätte er mir davon erzählt.«
»Hören Sie, das Thema ist heikel, aber ich muss es ansprechen. Sollte Giovanni entführt worden sein, könnte es sich dann um einen Racheakt zwischen rivalisierenden Mafiabanden handeln?«
Michele Tripodi verstand sofort.
»Eine gegen die Sinagras gerichtete Rache, meinen Sie?«
»Ja.«
»Sehen Sie, Commissario, Giovanni hatte eine Dankesschuld gegenüber Don Balduccio, der ihm nach dem Tod des Vaters sehr geholfen hat … Aber Giovanni ist ein ehrlicher Mensch, er hat nichts mit den Geschäften der Sinagras zu tun … Und für das, was sein Vater Filippo in Kolumbien gemacht hat, hat er sich geschämt … Sicher, jedes Mal wenn er nach Vigàta kommt, besucht er Don Balduccio, das schon, aber er hat keine so enge Beziehung, dass …«
»Verstehe. Wissen Sie, ob Giovanni jemals Kokain genommen hat?«
Michele Tripodi fing an zu lachen. Ein heftiges, von Herzen kommendes Lachen.
»Was reden Sie denn da? Giovanni hasst Drogen aller Art! Er raucht ja nicht einmal. Selbst Dolores hat er vom Laster des Rauchens befreit! Sie wissen, weshalb sein Vater ermordet wurde? Okay, dieses Ereignis hat Giovannis Leben und sein Verhalten nachhaltig geprägt.«
»Verzeihen Sie mir, es gibt noch eine heikle Frage, die ich Ihnen stellen muss. Sie betrifft Signora Dolores. Im Ort gibt es widersprüchliche Meinungen über sie.«
»Commissario, Dolores ist eine schöne Frau, die gezwungen ist, immer wieder für sehr lange Zeit allein zu sein. Und vielleicht hat sie den Fehler, allzu impulsiv zu sein, allzu offenherzig, und das kann zu dem einen oder anderen Missverständnis führen.«
»Nennen Sie mir eins.«
»Was?«
»Na, eins dieser Missverständnisse.«
»Na ja, ich weiß nicht … Ein Jahr nachdem sie in Vigàta angekommen war, begann ein Junge, er war etwa achtzehn und aus guter Familie, ihr Serenaden zu spielen, ja, richtige Serenaden. Dann fing er an, sie telefonisch zu belästigen, und einmal hatte er versucht, in ihre Wohnung einzubrechen … Dolores musste die Carabinieri rufen …«
»Und nur Achtzehnjährige? Kein einziger Erwachsener?«
»Na ja, vor zwei Jahren war da eine ernstere Geschichte mit einem Metzger, der wegen ihr total den Verstand verloren hatte … Er tat lächerliche Dinge, jeden Tag schickte er ihr einen Strauß Rosen … Danach musste er nach Catania umziehen, und die arme Dolores hatte endlich ihre Ruhe vor ihm.«
Montalbano prustete vor Lachen.
»Ach ja, diese Geschichte mit dem verliebten Metzger, davon habe ich schon gehört … Der hieß Pecorella, meine ich …«
»Nein, Pecorini«, verbesserte ihn Tripodi.
War es von Bedeutung, erfahren zu haben, dass der Metzger, der Mimì für dessen amouröse Stelldicheins die kleine Villa
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