Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
Auf einmal war er wieder blendender Laune. Auf meinen Instinkt kann ich mich verlassen, dachte er. Ohne ihn stünd ich jetzt mit leeren Händen da. Aber so wird’s eine nette kleine Überraschung für Niedermeyer geben, mit der der Klugscheißer garantiert nicht rechnet.
»Grüß Gott, Karl!«
Felderer nickte und erwiderte den Gruß, ohne groß aufzublicken. Es war nichts Besonderes, wenn ihn die Leute ehrerbietig grüßten. Das war immer schon so gewesen, denn alle wussten, dass der Familie Felderer der wertvollste Grund in Meran gehörte, natürlich auch die Filetstücke in der Altstadt Steinach und in den Lauben. Die meisten, die ihn grüßten, waren auf die eine oder andere Art von ihm abhängig, hatten Angst, aus ihren Läden rauszufliegen oder wollten sich bei ihm einschleimen.
Selbstzufrieden musterte er im Vorbeigehen sein Spiegelbild in einem Schaufenster. Sollte er heute Abend wieder im Studio trainieren? Nein, er hatte den Winter über genügend für seine körperliche Leistungsfähigkeit getan, ein Abend pro Woche genügte inzwischen. Er war jetzt so weit. Winterspeck hatte er ohnehin nicht gehabt.
Louisa fand seinen Körper und sein Gesicht inzwischen zu hart. Er selbst mochte sich so. Louisa war mit ihrem ersten Kind schwanger, sie sah mittlerweile aus wie eine mürrische Kuh. Aber das störte ihn nicht; gerade im Frühjahr war die Auswahl unter Touristinnen groß. Im Herbst ging weniger, da kamen die Alten zur Traubenkur. Er kicherte, streckte sich nochmals und flehmte in die Luft, wie ein junger Kater, wenn rollige Kätzinnen in der Nähe waren. Ich lass mich nicht kastrieren, dachte er, nicht durch meine Ehe und auch nicht geschäftlich, von meinen ehrenwerten Verbandskollegen.
Pfeifend passierte er den Laubenwirt, da hörte er es drinnen poltern. Er linste durch die Fensterscheibe und sah, dass eine Kellnerin dabei war, zusätzliche Stühle ins Hinterzimmer zu schleppen. Felderer grinste. Sollten sie sich doch ihre Mäuler über ihn zerreißen, nur zu. Er hatte nicht vor, seine Zeit mit dieser Veranstaltung zu verschwenden. Schnellen Schrittes bog er in die Galileistraße ein, wo sein Wagen parkte. Die Turmuhr der Nikolauskirche, die er vor ein paar Minuten verlassen hatte, schlug. Karl schien es beinahe, als riefe sie ihm etwas hinterher. Er blieb kurz stehen und lauschte. Dann lachte er über sich, schüttelte den Kopf und drückte auf die Fernentriegelung seines BMW . Drei Uhr, er musste sich beeilen, wenn sein Plan klappen sollte.
* * *
Die Rückkehr in das Meran ihrer Jugend hatte nicht funktioniert. Lissies Beklemmung nahm immer mehr zu, je länger sie herumschlenderte. Abrupt blieb sie stehen und schüttelte den Kopf, als ob sie eine angriffslustige Wespe verscheuchen wollte. Es war aber bloß ihre eigene Dusseligkeit. Es ist doch ganz normal, dass sich Geschäfte nicht halten können und verschwinden, dachte sie. Besonders kleine Läden sind eben anfällig, bei schwacher Finanzdecke hilft ihnen auch das schönste Südtiroler Flair nichts. Was hatte sie eigentlich geglaubt, was in den letzten dreißig Jahren hier passiert war – etwa nichts?
Zu ihrer Verblüffung existierte das kleine Elektrogeschäft noch. Einmal, sie wusste nicht mehr, bei welchem ihrer Aufenthalte, hatten sie den Adapter für Vaters Rasierapparat und für ihren Föhn zu Hause vergessen. Das war der Anlass für ihren einzigen Besuch in dem kleinen, dunklen Geschäft in der Galileistraße gewesen, in dem gebrauchte Fernsehgeräte dicht aneinandergedrängt gestanden hatten.
Ob es in dem Laden wohl noch genauso aussah? Jedenfalls wirkten die Elektroteile im Schaufenster nicht so, als ob sie in den letzten dreißig Jahren jemand abgestaubt, geschweige denn umdekoriert hätte. Merkwürdig, dass es gerade dieses Geschäft geschafft hatte. Lissie nahm sich vor, später irgendetwas dort zu kaufen. Vielleicht einen Föhn, sie vergaß immer wieder einmal einen in einem Hotelzimmer. Unwichtig, was sie kaufte, sie hatte einfach das Bedürfnis nach einer symbolischen Geste zugunsten der alteingesessenen Meraner Geschäfte.
Doch das hatte Zeit. Um ihrer Überraschung Herr zu werden, hatte sich Lissie erst einmal ein Viertel Roten bestellen müssen. Sie saß an einem Tisch der Renzinger Weinstube draußen unter einem Torbogen der Lauben. Lissie genehmigte sich einen kräftigen Schluck Wein und biss in ein Stück Speck. Wenigstens waren diese Klassiker noch die Alten geblieben.
Lissie blinzelte gegen die Sonne in die Richtung,
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