Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
barschen Kommandoton verfielen. So
als hätten sie es mit einem gottverdammten Kroaten oder einem
Slowenen zu tun. Und nicht mit einem Venezianer.
Doch bei dem
höflichen cavaliere mit der Halbmaske, der
zusammen mit einer donna an der Locanda Zanetto in seine
Gondel gestiegen war, handelte es sich definitiv um einen
Zivilisten. Sein Italienisch hatte zwar einen fremden Einschlag,
und mit Sicherheit war der Bursche ein Ausländer. Aber Zuanne Nono hatte
nichts gegen Ausländer. Vorurteile konnte er sich in seinem
Beruf nicht leisten.
Der cavaliere hatte unmittelbar nach
dem Ablegen der Gondel den schwarzen Vorhang des felze sorgfältig
verschlossen. Womit klar war, dass eine Lustreise auf dem Programm
stand. Nicht dass sich daraus ein Problem ergab. Es sei denn, die
Polster sahen anschließend saumäßig aus. Aber der
Mann hatte trotz seiner schwarzen Halbmaske und des albernen
Dreispitzes aus Pappe außerordentlich zivilisiert gewirkt.
Zuanne Nono verfugte nach all den Jahren, in denen er mit seiner
Gondel durch Venedig fuhr, über eine beachtliche
Menschenkenntnis. Mit Kunden, die nach Ärger aussahen,
ließ er sich grundsätzlich nicht ein. Und für den
Fall, dass ihm jemand dummkam, hatte er einen Totschläger
griffbereit, der selbst wildgewordene Stiere in fromme Lämmer
verwandelte.
Sie hatten jetzt das
Ende des Rio di San Felice erreicht und bogen in den Canalazzo ein.
Ein leichter Nebelschleier lag auf dem Wasser und verschluckte das
Licht, das aus den erleuchteten Fenstern auf die
Wasseroberfläche fiel. Ob der cavaliere wohl auf seine Kosten
kommen würde? Die donna, dachte Zuanne Nono, war nicht ganz
ohne. Im Schein der Gaslaternen, die den Steg vor der Locanda
beleuchteten, hatte er sie kurz betrachten können. Blond,
schrägstehende grüne Augen und ein vielversprechendes
Dekollete. Zuanne Nono schnalzte kennerisch mit der Zunge. Er
gönnte dem cavaliere sein Vergnügen,
denn der hatte sich als äußerst großzügig
erwiesen. Sechs Lire für eine Stunde. Das war das Doppelte
dessen, was er normalerweise kassierte. Andererseits sparte der
Bursche auch das Hotel. Ich möchte in einer Stunde
am Rialto aussteigen, hatte er gesagt. Sie bringen die
Signorina anschließend zur Piazzetta ...
Es war noch früh
am Abend — erst kurz vor acht. Zuanne Nono beabsichtigte, am
Palazzo Morosini in den Rio di San Cassiano einzubiegen, um durch
das Labyrinth von kleinen Kanälen zum Giudecca-Kanal zu
gelangen. An der Punta di Santa Marta würde er umdrehen und
durch den Rio Foscari zum Rialto rudern. Von dort aus war es noch
eine Viertelstunde zur Piazzetta. Eine angenehme Tour, zumal es
windstill und für die Jahreszeit überraschend mild war.
Es gab Tage, an denen Zuanne Nono seinen Beruf hasste. Heute liebte
er ihn. Und war es nicht auch irgendwie romantisch, was die beiden vor ihm
in dem felze taten?
Jedenfalls konnte,
nachdem sie in den Giudecca-Kanal eingebogen waren, kein Zweifel
mehr daran bestehen, dass der cavaliere zur Tat geschritten
war. Das Gemurmel der beiden hatte plötzlich aufgehört,
und die dotina hatte einen wollüstigen
Schrei ausgestoßen — einen Schrei, der dann abrupt
abbrach, so als wäre sie ohnmächtig geworden.
Anschließend rumpelte es ein wenig, als würden
Füße im Eifer des Gefechts an die Wanten schlagen. Dann
war es auf einmal still.
Wahrscheinlich, dachte
Zuanne Nono, ging es gleich mit dem Geschrei und dem Gerumpel
weiter. Und da er über eine schöne Stimme verfugte und
davon ausging, dass eine musikalische Einlage immer willkommen war,
fing er an zu
singen.
La donna e
mobile
Qual piuma al
vento,
Muta d'accento
E di
pensiero.
Dann brach er seinen
Gesang ab, weil er lachen musste. Das Gerumpel in dem felze war noch lauter
geworden. Hätte man nicht gewusst, was die beiden dort
trieben, könnte man glatt denken, der Mann drehte der Frau
gerade den Hals um.
*
Erstaunlich, dachte
er, wie gemütlich es in diesem felze war. Zwei kleine, in einem
Glaszylinder brennende Lämpchen warfen einen milden
Lichtschein auf das Innere des kleinen Zeltes, und der scaldino zu ihren
Füßen verbreitete mehr Wärme, als er ihm zugetraut
hatte. Die mit grünem Samt gepolsterte Bank war nicht gerade
bequem. Aber für eine schnelle Nummer reichte es. Und für
das, was er heute Abend vorhatte, ohnehin.
Seinen Mantel hatte er
auf den Boden gelegt. In den beiden Außentaschen befand sich
alles, was er brauchte: zwei kurze Lederriemen, die er nach getaner
Arbeit wieder mitnehmen
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