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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Kopf.
    «Warum
nicht?»
    «Weil ich davon
überzeugt war, dass der Aufschlitzer Venedig bereits verlassen
hat.»
    «Was ist
passiert, als Sie im Zimmer waren?»
    «Er hat sich
aufs Bett gelegt und mir befohlen, seinen Gehrock auf einen
Bügel zu hängen.»
    «Ihnen befohlen?»
    «Ja, er sprach
plötzlich in einer Art Befehlston.»
    «Und Sie haben
getan, worum er Sie gebeten hat?»
    Signorina Dolci
nickte. «Und dabei habe ich das Messer entdeckt. Da steckte
etwas Längliches, Hartes in der Seitentasche seines Gehrockes.
Ich wurde neugierig, vielleicht auch ein wenig misstrauisch. Ich
zog das Ding kurz heraus und sah, dass es sich um ein Rasiermesser
handelte.»
    «Waren Sie
schockiert?»
    «Natürlich.»
    «Aber warum sind
Sie nicht aus dem Zimmer gerannt, nachdem Sie das Messer entdeckt
hatten?»
    Ein naheliegende
Frage. Tron hatte den Eindruck, dass Signorina Dolci selbst nicht
wusste, warum sie nicht geflüchtet war. Sie starrte ratlos auf
die Zinken ihrer Kuchengabel. «Das kann ich Ihnen nicht
sagen, Commissario. Vielleicht weil ich einfach wütend
war.»
    «Erzählen
Sie weiter.» 
    «Dann habe ich
mich langsam umgedreht und bin zum Bett gelaufen.»
    «Um was zu
tun?»
    «Dem Mann einen
Schlag mit der Champagnerflasche zu versetzen. Ich hab ihn an der
Stirn erwischt. Sein Kopf ist nach links gekippt, und er war
bewusstlos. Es ging leichter, als ich gedacht
hatte.»
    «Und
danach?»
    «Habe ich
geschrien. So laut ich konnte. Und dann stand Signor Crespi
plötzlich im Zimmer.» Signorina Dolci griff nach der
Kuchengabel. «Ist der Spuk jetzt vorbei?»
    Tron lächelte
— auch über den Griff zur Kuchengabel. «Der Spuk
ist vorbei.»
    Signorina Dolci
spießte ein Stück Kirschtorte auf und sagte wütend:
«Der Mann sah völlig normal aus.»
    *
    Der Mann sah
völlig normal aus, dachte Tron, als er mit Bossi die Treppen
zum dritten Stock hinaufstieg. So hatte ihn auch die Signorina
beschrieben, die gestern Nacht in der Kirche entkommen war, und
ähnlich hatte sich auch der Gondoliere geäußert.
Kein augenrollendes Monstrum mit Schaum vor dem Mund, sondern ein
Mann, dessen Verstand offenbar einwandfrei funktionierte —
bis auf den kleinen Defekt, der ihn dazu brachte, Frauen zu
strangulieren und auszuweiden. Auf den ersten Blick genauso normal, grübelte Tron
weiter, wie der Kommandant der piemontesischen Einheit, die zwei
Dutzend Frauen und Kinder massakriert hatte. Und verglichen mit dem
war der Ausweider ein kleines Licht.
    Der Flur im obersten
Stock des Imperiale war breiter, als Tron erwartet hatte. Von der
Decke hingen drei Petroleumlampen, der Schein der mittleren fiel
auf Pucci und Caruso, die Karten spielend auf zwei Stühlen
saßen. Der Anblick der zwei Sergenti, die einen seit einer
Woche fieberhaft gesuchten Serienmörder bewachten, hatte einen
grotesken Einschlag ins Gemütliche. Als sie Tron den Flur
betreten sahen, sprangen Pucci und Caruso auf und
salutierten.     
    «Er hat keinen
Mucks mehr von sich gegeben», sagte Sergente Pucci, die
salutierende Hand immer noch an der Schläfe.
    «Keinen
Pieps», fügte Caruso hinzu.
    Tron warf einen
verstohlenen Blick auf Bossi. Sollte er dem Ispettore den Vortritt
lassen? Würde er stolz sein, wenn er den Raum als Erster
betreten durfte? Nein, wahrscheinlich nicht. Bossis Heldenmut hielt
sich in Grenzen.
    «Schließen
Sie auf», sagte Tron resigniert.
    Tron sah, wie Sergente
Pucci den Schlüssel vorsichtig nach links drehte - mit dem
angespannten Gesicht eines Mannes, der eine Bombe entschärft.
Als der Sergente zurücktrat, drückte Tron die Klinke nach
unten und stieß die Tür mit dem Fuß auf.
Vorsichtshalber blieb er auf der Schwelle stehen.
    *
    Der Mann, das
Monstrum, das völlig normal
aussah, lag
mit angezogenen Beinen und der Tür den Rücken zukehrend
auf dem Bett. Die Wäscheleine, mit der Signor Crespi ihm die
Beine gefesselt hatte, war deutlich zu erkennen, seine vor der
Brust zusammengebundenen Hände blieben unsichtbar. Er war in
Hemdsärmeln, hatte aber seine Stiefel anbehalten. Der
Kleiderschrank stand offen, und Tron konnte den Gehrock auf dem
Bügel sehen. Mit dem Beweisstück in der
Tasche.
    Tron machte einen
weiteren Schritt in den Raum hinein. Dann blieb er stehen, um
diesen Moment zu genießen, holte tief Luft und atmete wieder
aus. Sie hatten ihn also erwischt. Dass sie diese Verhaftung nicht
als eigenen Fahndungserfolg (ein Wort aus dem
Vokabular Bossis) verkaufen konnten, war bedauerlich. Aber man
konnte den offiziellen

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