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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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des Mannes, und der Bursche hatte
tatsächlich die Nerven, ihr zuzuzwinkern. Hatte er erkannt,
wie sie ihre Brötchen verdiente? Vielleicht an der etwas zu
dick aufgetragenen Schminke? Oder an den schwarzen Wimpern, die ein
wenig zu lang waren, um echt zu sein? Wahrscheinlich. Es war auch
wenig sinnvoll, dass man es ihr nicht ansah, in welchem Gewerbe sie
arbeitete. Schließlich konnte sie sich kein Schild um den
Hals hängen, auf dem ihre Tarife standen. 
    Was sie konnte und
jetzt tat, war, mit wiegenden Hüften die Piazza zu
überqueren und dabei einzelne Herren mit anzüglichen
Blicken zu bedenken. Natürlich geschah dies mehr oder weniger
automatisch, denn sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, hier
nach Kunden zu fischen — schon gar nicht an einem erstaunlich
milden Februarabend, der halb Venedig auf die Piazza getrieben
hatte. Der Markusplatz war für ihr Gewerbe tabu. Da verstand
Ispettor Bossi, der gutaussehende Leiter der Polizeiwache an der
Piazza, keinen Spaß.
    Carla Dolci blieb im
trüben Licht einer Gaslaterne vor dem Palazzo Ducale stehen
und zündete sich eine Zigarette an. Die dünne
Rauchsäule stieg auf und verflüchtigte sich in der
nebligen Nachtluft. Als ein maskierter Signore an ihr vorbeilief
und ihr einen Blick zuwarf, fühlte sie sich einen Moment lang
unbehaglich. Hatte sie sich jetzt auch von der Nervosität
ihrer Kolleginnen anstecken lassen? Sie war sich nicht mehr so
sicher.
    Natürlich waren
die Gespräche, die sie in den letzten Tagen geführt
hatten, immer nur um ein Thema gekreist: Hatte sich der
Verrückte, der auf der Gondel und im Seguso zugeschlagen
hatte, aus dem Staub gemacht, oder lag er noch immer auf der Lauer?
Die eine Hälfte der Frauen war davon überzeugt, dass der
Mann Venedig verlassen hatte, während die andere glaubte, er
halte sich immer noch in der Stadt auf und könne jederzeit
wieder zuschlagen. Ähnlich kontrovers wurde die Blondinenfrage
diskutiert. War es reiner Zufall, dass ausgerechnet zwei blonde
Frauen gestorben waren, und hätte es ebenso gut eine
Brünette treffen können? Wenn es stimmte, dass sich der
Mann ausschließlich an Blondinen hielt, musste sie allerdings
auf der Hut sein.
    Doch Carla Dolci hatte
sich inzwischen längst eine eigene Meinung gebildet. Für
sie stand fest, dass der Mann die Stadt verlassen hatte und es sich
rein zufällig um Blondinen gehandelt hatte. Folglich gab es
nicht den geringsten Grund, mitten in der Karnevalszeit eine
Arbeitspause einzulegen, zumal sich die Tarife innerhalb von zwei
Tagen um ein Viertel erhöht hatten. Risikoprämie hatte es einer ihrer
Kunden gestern genannt — ein Wort, das ihr nicht bekannt war.
Jedenfalls konnte ihr das nur recht sein. Nach kurzem Nachdenken
beschloss sie, ihr Glück heute Abend im Stella zu
versuchen.
    *
    Ein Stunde später
schloss Carla Dolci die Tür eines Zimmers im Imperiale auf und
gratulierte sich dazu, wie schnell alles gegangen war. Das Stella
war gerammelt voll gewesen, und sie hatte freie Auswahl gehabt.
Entschieden hatte sie sich für einen Herrn mittleren Alters
ohne Mundgeruch. Dass er eine schwarze Halbmaske trug —
geschenkt. Jeder zweite Mann im Stella trug eine schwarze bautta. Auch dass er mit einem
ausländischen Akzent sprach, irritierte sie nicht. Viele
Gäste im Stella sprachen mit einem ausländischen Akzent.
Als Signor Crespi, der Concierge, ihr den Schlüssel
aushändigte, hatte er ihr einen besorgten Blick zugeworfen.
Kein Wunder — er gehörte zu der Fraktion, die fest davon
überzeugt war, dass sich der Gondelmörder immer noch in
der Stadt aufhielt.
    Doch selbst falls das
zutreffen sollte, dachte sie amüsiert, dann doch gewiss nicht
in ihrem Zimmer. Der Mann, der jetzt seine Maske abgenommen hatte,
bot ein Bild vollendeter Harmlosigkeit. Auf seine Stirn, Nase, Kinn
und Mund traf
nur ein Wort zu: unauffällig. Er hielt sich kerzengerade,
vermutlich wollte er sich als Offizier in Zivil präsentieren.
Viele Zivilisten taten das, um sich ein Air zu geben. Meistens
wirkte es lächerlich.
    Genauso
lächerlich wie der militärische Ton, den der Bursche
jetzt anschlug. Er hatte seinen Gehrock ausgezogen und lag, den
Rücken an die Wand gelehnt, in Hemdsärmeln auf dem Bett.
Neben ihm auf dem Nachttisch stand die obligatorische, im Preis
inbegriffene Flasche Champagner. 
    «Aufheben und
auf den Bügel», sagte der Bursche. Er zeigte auf seinen
Gehrock, der vom Fußende des Bettes gerutscht war.
    Im Hinblick auf das,
was nun auf dem Programm stand, fand

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