Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
ihnen, sieben Neugeborene zu stehlen und sie zur planetaren CST Station zu bringen, bevor der Alarm ausgelöst wurde. Drei Kinder wurden augenblicklich vom Intersolar Serious Crimes Directorate aufgespürt und an die zuständige Krippe auf Huxley’s Haven zurückgegeben. Die Publicity war alles, was sich die liberalen Extremisten nur hatten erhoffen können, auch wenn die öffentliche Anteilnahme nicht ganz vorbehaltlos in ihre Richtung schwang. Das Stehlen von Babys ging den meisten Menschen dann doch zu weit.
Vier Mitglieder der Clique wurden verhaftet, nachdem man die Babys aufgespürt hatte. Danach startete das Intersolar Serious Crimes Directorate die größte Menschenjagd, die das Commonwealth je gesehen hatte, auf der Suche nach den vier vermissten Babys, einem Jungen und drei Mädchen. Es dauerte fünfzehn Monate mühevoller, gewissenhafter Detektivarbeit, bis zehn Chief Investigators mithilfe der SI den vermissten Jungen in einer Stadt auf der damaligen Grenzwelt Ferarra fanden. Fünf Monate später wurden zwei der Mädchen auf EdenBurg entdeckt. Das letzte Kind sowie die beiden letzten Mitglieder der Clique erwiesen sich als schwerer zu finden.
Mit der Paranoia, die nur wahrhaftige Idealisten aufzubringen imstande sind, hatten Marcus und Rebecca mehr als zwei Jahre damit verbracht, umfassende Vorbereitungen für die Zeit nach der Entführung zu treffen, ohne den Rest ihrer Gruppe darüber zu informieren. Der erste Teil ihrer Tarnung bestand darin, dass sie ein eigenes Kind zeugten, Coya, die dem entführten Baby eine Schwester werden sollte. Sie würde dem psychoneural geprägten Wesen ein normales Verhalten vorleben – außerdem würde eine junge Familie mit Zwillingen sehr viel weniger Aufmerksamkeit erregen. Es war ein guter Plan. Marcus und Rebecca hatten auf Marindra ein Haus gekauft, in einer kleinen, abgelegenen landwirtschaftlichen Stadt, wo sie einen Gartenbaubetrieb gründeten. Es war ein angenehmer Ort zum Leben mit einer guten, funktionierenden Gemeinde. Die Kinder wuchsen gemeinsam mit anderen auf, auch wenn Paulas Halb-Filipino-Gesichtszüge ein wenig inkongruent wirkten angesichts der Tatsache, dass die ›Eltern‹ und die ›Zwillingsschwester‹ Coya alle unübersehbar mediterraner Herkunft waren. Doch sie erklärten es als genetische Modifikation, die dazu dienen sollte, Rebeccas ferne asiatische Herkunft deutlicher zum Vorschein zu bringen und ihre ethnischen Ursprünge zu ehren. Zu diesem Zeitpunkt war der Fall des letzten vermissten Huxley-Babys längst aus den Augen und dem Interesse der Öffentlichkeit verschwunden.
Als Kind unterschied sich Paula nicht sehr von ihrer Schwester. Sie spielten zusammen, brachten ihre Eltern zur Verzweiflung, liebten den Welpen, den Marcus ihnen kaufte, schwammen gerne und kamen gut in der Schule zurecht. Erst als sie ins Teenageralter kam, wurde Paula deutlich zurückhaltender als ihre Schwester Coya. Sie tat, was ihre Eltern von ihr verlangten, stritt nicht mit ihnen und hielt sich von allen Schwierigkeiten fern, die es in ihrer kleinen ländlichen Gemeinde nur geben konnte. Jeder bemerkte, was für ein hübsches Mädchen sie doch wurde, nicht wie die Hälfte aller anderen Teenager in der Stadt, die schrecklich einfach waren und ein sicheres Zeichen für den bevorstehenden Zusammenbruch der Gesellschaft. Paula betrachtete Jungs mit der gleichen Herablassung und Faszination wie ihre Altersgenossinnen, fing an, sich mit ihnen zu treffen, erlebte die herzzerreißende Demütigung, sitzen gelassen zu werden, und rächte sich prompt an ihren beiden nächsten Freunden, indem sie ihnen den Laufpass gab. Sie fand einen weiteren Jungen, den sie mochte – und blieb fünf lange Monate mit ihm zusammen. Im Sport war sie mehr kompetent als herausragend, und schulisch glänzte sie in Sprachen und Geschichte. Ihre Lehrer stellten fest, dass sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis besaß und besessen davon war, auch noch die kleinsten Details herauszufinden, die mit ihren Themen in Verbindung standen. Begabungstests zeigten, dass sie eine exzellente Psychologin werden würde.
Als Marcus und Rebecca an Paulas sechzehntem Geburtstag auf ihre zufriedene, normale zweite Tochter blickten, wussten sie, dass sie Erfolg gehabt hatten. Sie hatten ein Kind aus dem ›Bienenstock‹ in einer liebevollen natürlichen Umgebung aufgezogen und ein vollkommen glückliches, gesundes menschliches Wesen aus ihr gemacht. Was mit einem Menschen gelang, konnte mit allen gemacht werden.
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