Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
Der Würgegriff, in dem die Human Structure Foundation ihre unterdrückte Bevölkerung hielt, konnte durchbrochen werden; ihre Methode, Menschen zu kontrollieren, war nicht fehlerlos. Anstand und Menschenwürde hatten am Ende triumphiert.
Zwei Tage später, an einem wunderschönen Sommernachmittag, gingen sie mit Paula in den Garten hinaus und erzählten ihr die Wahrheit über ihre Herkunft. Sie waren so dumm, ihr sogar die alten Medienberichte über die Entführung und die sich daran anschließende Menschenjagd zu zeigen.
Was die Human Structure Foundation niemals offen gelegt hatte, war die Natur der psychoneuralen Prägung der entführten Babys. Die anderen waren alle im normalen Rahmen für Huxley’s Haven: Arbeiter, Ingenieure, Verwaltungsangestellte, sogar ein Archivar war darunter. Doch Paula, wie das Unglück oder das Schicksal es wollte, war eine Ausnahme selbst für ihre eigene Welt. Verbrechen waren auf Huxley’s Heaven extrem selten; wie hätte es auch anders sein sollen bei einer Bevölkerung, die darauf gezüchtet war, mit ihrer Arbeit und ihrem Leben zufrieden zu sein. Doch nicht einmal die Foundation behauptete, dass sie die Gesellschaft vollkommen gemacht hätte. Jede menschliche Zivilisation benötigte eine Ordnungsmacht, eine Polizei. Auf Huxley’s Haven war man stolz darauf, dass es nur einen einzigen Gesetzeshüter je zehntausend Einwohner gab. Paula hätte einer von ihnen werden sollen.
Zwei Stunden nach ihrem freudigen Geständnis wurden Marcus und Rebecca verhaftet. Es war Paula, die sie verraten hatte. Paula hatte keine andere Wahl gehabt. Das Wissen darum, was richtig war und was falsch, war fest in ihre Gene einprogrammiert, in ihre Identität, ihre Seele.
Das letzte entführte ›Bienenstock-Baby‹ war die größte Story in den Medien seit einem Jahrzehnt und machte Paula augenblicklich zu einer Berühmtheit. Jung, schön und erschreckend unbestechlich war sie alles, was eine gesunde Sechzehnjährige nicht sein sollte.
Aufgrund von Paulas rückhaltloser Aussage wurden Marcus und Rebecca zu jeweils zweiunddreißig Jahren Lebenssuspension verurteilt, womit sie die doppelte Zeit der Dauer ihres Verbrechens verloren. Das war die Art von Bestrafung, die normalerweise Mördern vorbehalten war. Die Unisphären-Berichterstattung über den Prozess erlaubte einem Viertel der menschlichen Rasse, in stiller Faszination zu beobachten, wie Coya zusammenbrach und den Richter hysterisch anschrie, bevor sie ihre Stiefschwester auf Knien anflehte, ihre Aussage zurückzuziehen und den Strafvollzug zu verhindern. Paulas einzige Antwort war ein stiller, mitleidiger Blick auf das schluchzende Mädchen, der jenes ganze Viertel der zuschauenden Menschheit erschauern ließ.
Nach der Verhandlung kehrte Paula nach Huxley’s Haven zurück, in die Heimat, die sie nie gekannt hatte, um ihren richtigen Namen zu erfahren und peinliche Begegnungen mit den übrigen gestohlenen Kindern über sich ergehen zu lassen, mit denen sie nicht das Geringste gemeinsam hatte. Sie gehörte noch weniger nach Huxley’s Haven als nach Marinda; die moderne Commonwealth-Erziehung hatte sie, was Huxley’s Haven anging, völlig abseits jeder Norm gestellt. Es gab keine fortschrittliche Technologie im ›Bienenstock‹; die neue, konformistische Gesellschaft war so strukturiert, dass die Menschen alle Arbeit verrichteten und nicht Maschinen. Paula war an Roboter gewöhnt und an ultimativen Zugang zu sämtlichen Daten in der Unisphäre und betrachtete eine derartige Einstellung als dumm und provinziell. Das war der eine Erfolg, den Marcus und Rebecca mit ihrer Erziehung erreicht hatten, auch wenn sie zu jener Zeit in Suspension waren und es nicht wissen konnten, im körperlichen Koma der Tiefschlafkammern des Justizdirektorats.
Abseits von allem Medienrummel und den Blicken der Öffentlichkeit verließ Paula Huxley’s Heaven in Richtung Erde, wo sie sich beim Intersolar Serious Crimes Directorate bewarb. Damals hatte sie keine Ahnung, wie weit ihre Bewerbung die politische Hackordnung hinauf nach oben wanderte, bevor sie schließlich angenommen wurde. Doch als sie endlich angenommen worden war, entwickelte sie sich zur besten Ermittlerin, die das Direktorat je gehabt hatte – trotz des einen berüchtigten Falles aus dem Jahre 2243, den sie immer noch nicht gelöst hatte.
Morton wohnte im Penthouse eines fünfzigstöckigen Wolkenkratzers hinter der Labuk Marina von Darklake City. Nicht weit weg von der Stelle, wo Caroline
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