Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
und mit ihrer Herkunft hätte Justine Burnelli vermutlich etwas Besseres tun können. Die anderen Dinge, die ihr in diesem Augenblick einfallen wollten, beinhalteten Betten mit seidenen Laken (vorzugsweise mit einem Mann darin), Whirlpools, extrem kostspielige Restaurants oder schicke Nachtclubs. Doch der einzige Luxus im Umkreis von tausend Kilometern raste gegenwärtig von ihr weg, so schnell die Supportcrews die Mobile Homes des Konvois über dieses grauenhafte Terrain zu bewegen vermochten. Und all das hatte sie ihrer jüngsten besten Freundin zu verdanken: Estella Fenton.
Sie hatten sich in der Lounge der exklusiven Washington Rejuvenation Clinic kennen gelernt, Justines Stammklinik, beide gerade aus den Tanks und in physiotherapeutischer, hydrotherapeutischer, kräuteraromatherapeutischer und sonstigen Heilbehandlungen, die Leben zurück in ihre Glieder und Muskeln bringen sollten, welche seit vierzehn Monaten nicht mehr benutzt worden waren. Sie bewegten sich wie uralte Greise, eine Ironie, die durch ihre augenscheinlich jugendlichen Körper noch verschlimmert wurde.
In der Lounge tat man nichts anderes als in den tiefen Jellcushion-Sesseln zu sitzen und auf das Waldland und den Park jenseits der Panoramafenster hinauszustarren. Ein paar Unverbesserliche benutzten tragbare Arrays, um zu arbeiten, Nachrichtenströme zu betrachten und mit ihren Programmen zu kommunizieren. Keiner verfügte bereits wieder die Fähigkeit, sich direkt mit dem Cyberspace zu verbinden. Ihre Körper waren im Verlauf des Rejuvenationsprozesses so gut wie sämtlicher Implantate wie Prozessoren und OCTattoos beraubt worden, und sie hatten bisher keine neuen erhalten.
Estella war von zwei Pflegerinnen in die luftige Lounge geführt worden, an jedem Arm gestützt, während die wunderschöne rothaarige junge Frau unsicher zwischen ihnen her gewankt war. Mit einem dankbaren Seufzer ließ sie sich in ihren Sessel sinken.
»Wir kommen um drei Uhr für die Hydrotherapie wieder zurück«, sagte der Oberpfleger.
»Danke sehr«, erwiderte Estella mit gezwungenen Lächeln. Es verschwand von ihren Gesichtszügen, kaum dass die Pflegerinnen die Lounge verlassen hatten. »Verdammt!«
»Gerade aus dem Tank?«, fragte Justine.
»Zwei Tage.«
»Ich bin seit drei Tagen draußen.«
»Gott! Noch zehn Tage von diesem Mist!«
»Aber es ist die Sache wert.« Justine hielt den Zeitungsschirm hoch, in dem sie gelesen hatte: Noch immer liefen die Bilder und Berichte des Modemagazins über den Schirm, das sie aufgerufen hatte. »Ich war seit zehn Jahren nicht mehr imstande, etwas wie das hier zu tragen.« Obwohl die meisten von Justines Freundinnen dazu neigten, sich alle zwanzig Jahre (oder in noch kürzeren Abständen) einer Rejuvenation zu unterziehen, als sei es eine religiöse Verpflichtung, tendierte sie eher dazu zu warten, bis ihr körperliches Alter um die Fünfzig war, bevor sie sich erneut dem Prozess unterzog. Man konnte Eitelkeit auch zu weit treiben.
»Ich bin noch nicht so weit, als dass ich über Kleider nachdenken könnte«, sagte Estella. Sie fuhr sich mit der Hand durch das wirre Haar, das wie eine Haube gleichmäßig überall fünf Zentimeter lang war. »Ich muss auf jeden Fall zuerst zum Friseur. Und ich hasse es, so kurze Haare zu haben! Ich trage sie normalerweise bis zum Bauchnabel, und das dauert jedes Mal ein paar Jahre, bis sie wieder so lang sind!«, nörgelte sie.
»Es muss wunderschön aussehen.«
»Ich hab keine Probleme, Männer abzukriegen.« Sie blickte sich in der Lounge um. »Mein Gott, im Augenblick ist mir nicht mal mehr danach!« Die Klinik war strikt monosexuell, auch wenn das die Patientinnen nicht davon abhielt, gegen Ende ihrer Rekonvaleszenz das eine oder andere illegale Techtelmechtel auf ihren Zimmern zu veranstalten. Es war nicht nur jugendliches Aussehen, das sie durch ihre Rejuvenation zurückgewannen; ihre neuen adoleszenten Körper waren voller Hormone und Vitalität. Sex stand ganz oben auf der Liste so gut wie jeder Patientin, wenn sie eine Klinik verließ, und das blieb in der Regel auch noch eine ganze Weile so.
Justine grinste. »Wird nicht lange dauern. Bald sind Sie mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs zur nächsten Silent World.«
»War ich schon, und nicht nur einmal, sondern hundert Mal. Damit will ich nicht sagen, dass ich nicht keinen kleinen Abstecher unternehmen werde, wenn ich zufällig mal vorbeikomme, aber diesmal habe ich etwas geplant, das sehr viel Aufregender sein wird.«
»Oh?
Weitere Kostenlose Bücher