Commonwealth-Saga 2 - Die Boten des Unheils
– bitte verzeih, wenn das aufdringlich erscheint –, aber hattest du niemals Zweifel, was Rejuvenation angeht? Du hast den Prozess offensichtlich bereits mehrmals hinter dich gebracht. Ich glaube, du warst ein Teenager, als du Huxley’s Haven verlassen hast.«
»Nein, keine Zweifel. Niemals. Es gibt so viele Verbrechen da draußen.«
»Und niemand außer dir vermag sie aufzuklären.«
Paula verzog das Gesicht. Er war Alexis sehr ähnlich. »Einige schon«, gab sie zu.
»Ich stelle die Frage deswegen, weil die Rejuvenation etwas ist, das von meiner Klasse endlos debattiert wird. Wir können einfach nicht entscheiden, ob wir sie auf unserer Welt einführen sollen oder nicht.«
»Ich würde sagen, sie widerspricht eurem gesamten Ethos. Diese Gesellschaft wurde geschaffen, damit die Menschen ihr Leben leben und zufrieden sein können. Ein Großteil dieser Zufriedenheit rührt von einem ungestörten natürlichen Zyklus her. Sie wurde nicht von der Foundation in die Menschen von Huxley’s Haven sequenziert. Die Foundation hat den Menschen lediglich die Fähigkeit verliehen, das zu genießen, was unter relativ einfachen Rahmenbedingungen möglich ist – wenigstens im Vergleich zur Leitkultur des Commonwealth. Ihr findet immer eine Arbeit, egal, was ihr seid, oder eine Bestimmung, in der ihr aufgeht, und ihr werdet finanziell genauso dafür entlohnt wie jeder andere auch. Wenn ihr die Rejuvenation auf Huxley’s Haven einführt, werdet ihr euch über das Maß hinaus vermehren, das eure gegenwärtige Wirtschaft zu erhalten imstande ist. Und eure gegenwärtige Technologie ist die Einzige, die für euer Kastensystem geeignet wäre. Die Foundation konnte lediglich ein Verhaltensmuster in die Menschen sequenzieren, das für gewisse Berufsgruppen vorteilhaft ist, zusammen mit einigen Begabungen für den ein oder anderen Beruf. Aber man kann keine Fusionstechniker und keine Mikrobiologen züchten; es gibt kein einziges erkennbares Verhaltensschema. Wenn ihr eine modernere Gesellschaft wollt, müsstet ihr die verschiedenen Begabungen über einen Punkt hinaus spezialisieren, wo sich die Kasten auflösen würden. Ihr würdet mit ganz normalen Menschen enden, die in einer von Ideologie getriebenen Wirtschaft leben anstatt einer, die vom Bedarf gesteuert wird. Nichts würde sie daran hindern, sich einen besser bezahlten Job auf einer anderen Welt zu suchen, ganz besonders nach mehreren Jahrhunderten der Arbeit in ein und demselben Büro oder Laden.«
»Meine Güte, und ich dachte, Freidenker wie ich wären die einzigen, die imstande sind, solide logische Argumentationsketten aufzustellen.«
Matilda kehrte mit einem Tablett und zwei Bechern Tee darauf zurück. »Lass dich nicht von ihm ablenken«, sagte sie, während sie Paula ihren Becher reichte. »Er ist ein ganz schlechter Freidenker. Er stellt immer nur Fragen, anstatt welche zu beantworten.«
»Um über Dinge nachzudenken, muss ich sie schließlich zuerst kennen.«
Matilda bedachte Paula mit einem Schulterzucken, als wollte sie sagen, »Ich hab’s dir ja gesagt«, während sie Leonard den zweiten Becher reichte.
»Was machst du beruflich?«, fragte Paula.
»Ich bin Kinderschwester. Ich arbeite auf der Wöchnerinnenstation des örtlichen Krankenhauses. Ich mag Kinder.« Sie bedachte Leonard mit einem bedeutsamen Blick. Er errötete.
Paula hätte ihm am liebsten »Um Himmels willen, frag sie endlich!« zugezischt. In diesem Haus gab es viel zu viel recycelte Geschichte. Eine statische, zeitlose Gesellschaft war eine Sache, doch man konnte alles übertreiben. Damals, vor mehr als anderthalb Jahrhunderten, war Paula jünger als Matilda gewesen, und Alexis war älter gewesen als Leonard. Es hatte Alexis das Herz gebrochen, sie gehen zu lassen, und dabei war er derjenige gewesen, der sie weggestoßen hatte in dem Wissen, dass es die einzige Möglichkeit gewesen war, ihr eine Zukunft zu geben. Wenn sie irgendwo auf Huxley’s Haven hätte glücklich sein können, dann wäre es hier gewesen, zusammen mit ihm. Das war das Dumme mit den Freidenkern. Sie besaßen eine überschäumende Phantasie, die sie unsicher machte. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es immer Männer sind; die Foundation hat lediglich ihre natürliche Unfähigkeit zum Eingehen einer Bindung verstärkt.
Matilda blickte von ihrem Geliebten zu Paula. »Ich lasse euch beide jetzt allein, damit ihr reden könnt. Gebt mir Bescheid, wenn ihr irgendetwas braucht.« Sie küsste Leonard auf die Stirn und
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