Commonwealth-Saga 2 - Die Boten des Unheils
setzte er die Tasse wieder ab.
Antonia lachte auf. Sie hatte bereits während der schwerelosen Fährpassage vom High Angel zur Wurmloch-Station von Kerensk den Babysitter für ihn gespielt. Es war nicht leicht gewesen, seine Uniform unter diesen Bedingungen sauber zu halten, und dann hatte sie die protestierenden Beschwerden von den übrigen Passagieren abwehren müssen.
»Haben Sie Ihre Ansprache vorbereitet?«, fragte sie.
»Scheiße, lassen Sie mich in Ruhe.«
»Möchten Sie noch eine Dosis Tifi?«
»Hören Sie, halten Sie einfach nur … O mein Gott, ja bitte.«
Grinsend nahm sie das Paket mit Röhrchen hervor und presste ihm eines gegen den Hals. Ein leises Surren ertönte, als das Medikament am einen Ende in seinen Kreislauf gepumpt wurde. »Das ist Ihr Limit. Jetzt gibt es die nächsten sechs Stunden nichts mehr.«
Oscar betastete vorsichtig seine schweißnasse Stirn, während er darauf wartete, dass der Schmerz nachließ. »Das schreiben sie nur auf den Packzettel, um die Anwälte im Zaum zu halten. Man kann wenigstens die doppelte Dosis nehmen, bevor irgendetwas Schlimmes passiert.«
»Der ewige Optimist, wie? Wie fühlen Sie sich?«
»Ich glaube, diesmal wirkt das Zeug tatsächlich.«
»Gut.«
Der Express durchfuhr ein weiteres Wurmloch-Gateway, und das Licht wurde noch heller, ein grelles Blauweiß diesmal. Antonia blickte aus dem Fenster. »Wir sind da. New Costa Junction. Kommen Sie, wir müssen aussteigen.« Sie erhob sich von ihrem Platz.
Oscar warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die Kaffeetasse und entschied sich dann dagegen.
Ein Senior Manager aus der Klinik wartete auf dem Bahnsteig, um ihn zu begrüßen. Er hatte einen Wagen dabei, und sie ordneten sich auf dem Highway 37 in den Verkehr ein.
»Von hier aus sind es zehn Minuten«, versprach der Manager. »Wir sind mitten in der Schicht; deswegen ist der Verkehr nicht stark.«
Das Nadsis Hotel lag abseits vom Freeway, ein zwanzigstöckiges, X-förmiges Gebäude mit fünf separaten Konferenzbereichen. Mehr als tausend Berichterstatter der Medien hatten sich dicht gedrängt im Bytham Auditorium versammelt, wo die Feier für die Wiederbelebten stattfinden sollte. Die beiden Ehrengäste sowie sämtliche VIPs marschierten unter beträchtlichem Applaus in einer großen Traube auf die Bühne. Dudley Bose – ein schlaksiger Heranwachsender mit einem dichten Schopf fuchsroter Haare, die sich jedem Styling widersetzten – unterbrach seine schlechte Laune vorübergehend, um in die Runde zu grinsen und schließlich die erhobenen Daumen zu zeigen, das Markenzeichen seiner früheren Interviews. Emmanuelle Verbeke war für alle eine Überraschung, die auf der Jagd nach Hintergrundinformationen auf ihre Dateien zugegriffen hatten. Auf der Second Chance war sie eine ernsthafte, professionelle Person an der Grenze zur Sturheit gewesen, eine Frau mit relativ unauffälligen Gesichtszügen, die sich nicht um Äußerlichkeiten kümmerte. Heute war sie kaum von einer echten achtzehnjährigen Firstliferin zu unterscheiden. Sie trug ein rotes Trägerkleid mit kurzem Saum, das perfekt gebräunte und genauso perfekt geformte lange Beine zeigte. Ihre dunklen Haare, noch immer kurz trotz des beschleunigten Wachstums in der Klonphase, war zu hübschen Locken aufgedreht, die ihre Jugend betonten. Ihr unentwegtes freches Grinsen und ihr mädchenhaftes Kichern illustrierten den seltenen Fall einer Persönlichkeit, die durch die Wiederbelebungsprozedur keine anhaltenden seelischen Schäden davongetragen hatte.
Oscar sollte laut Plan die Begrüßungsrede halten. Er sagte Hallo, dann stellte er alle einander vor – eine ziemlich dümmliche Angelegenheit. Anschließend folgte sein eigenes persönliches Willkommen an die ehemaligen Besatzungsmitglieder. Er erzählte eine lustige Anekdote aus der Zeit an Bord der Second Chance , um zu beweisen, welch großartige Freunde sie doch alle waren, während er die ganze Zeit am liebsten herausgesprudelt hätte, wie Dudley Bose durch sein Ungeschick die Filtrierungseinheit für die Duschen auf seinem Deck unbrauchbar gemacht hatte.
Nach fünf Minuten der Qual nahm er unter höflichem Applaus und Annas spöttischem Grinsen wieder Platz. Als Nächstes war Vice President Bicklu an der Reihe mit der formellen ›Willkommen Daheim‹-Ansprache. Er war ein hoch gewachsener Mann mit genetisch zu nichtssagender Attraktivität sequenzierten Gesichtszügen zusammen mit nordisch weißer Haut, die in starkem Kontrast zu President
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