Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas
ausgefahren hätte sein dürfen. Ich habe ein paar überschlägige Berechnungen angestellt, und das ist die Richtung, in die sie gezeigt hat.«
»Ich will verdammt sein. Wer zur Hölle war das?«
»Ich weiß es nicht. Unsere Aufzeichnungen sind ziemlich umfassend, aber wer auch immer die Schüssel ausgefahren hat, hat unsere Monitorprogramme eindeutig umgangen. Das dort ist so ziemlich der einzige Beweis, dass es je geschehen ist.«
»Ich verstehe das nicht. Ein Verräter? Warum? Welches mögliche Motiv könnte er haben?«
»Es gibt eine Menge ziemlich wilder Theorien in der Unisphäre«, sagte Oscar vorsichtig. »Wir haben nie verstanden, warum die Barriere gefallen ist, als wir bei Dyson Alpha angekommen sind. Und ich denke, wir können jetzt ziemlich sicher sein, wer für das Versagen unserer Kommunikationsverbindung mit Verbeke und Bose verantwortlich ist.«
»Irgendjemand aus der Besatzung«, flüsterte Wilson schockiert. »Aber ich habe sie selbst ausgewählt … Wir haben sie ausgewählt, du und ich.«
»Ja«, sagte Oscar elend.
»Mein Gott …« Wilson starrte noch immer auf das Bild der Schüssel wie ein Kaninchen auf die Schlange. »Das ergibt doch keinen Sinn! Niemand profitiert von einem Krieg zwischen den Menschen und den Primes. Außerdem wusste niemand, was sich hinter der Barriere verbarg.«
»Die Silfen wussten es wahrscheinlich.«
»Nein. Nicht die Silfen. Das glaube ich einfach nicht.« Er sah Oscar an, und seine Augen verengten sich. »Wer hat dich gebeten, die Logs auszuwerten?«
Oscar hielt seinem Blick stand. »Die Guardians of Selfhood. Jemand, mit dem ich früher befreundet war, hat den Kontakt hergestellt.«
»Scheiße, Oscar! Diese Bastarde haben versucht, die Second Chance zu zerstören!«
Oscar nickte in Richtung des Bildes. »Vielleicht hatten sie einen guten Grund dafür?«
»Dieses Starflyer-Alien, an das sie glauben? Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Vielleicht nicht«, sagte Oscar müde. »Ich weiß es nicht. Aber irgendjemand an Bord hat auf die schlimmste nur vorstellbare Weise gegen die Interessen der gesamten Menschheit gehandelt. Wegen dieser Mission, wegen dieses Verrats befinden wir uns in einem Krieg, den wir vielleicht verlieren werden, und unserer Spezies droht möglicherweise die vollständige Ausrottung. Wie du vorhin gesagt hast: Wo ist das Motiv? Es ist nicht politisch, so viel steht fest.«
»Du hast Recht, es ist nicht politisch. Es muss einen äußeren Einfluss geben. Wer auch immer das getan hat, er hat die Menschheit verraten, unsere gesamte Spezies. Verdammt, das ist schwer zu akzeptieren.«
»Ich weiß.«
»Hast du den Guardians schon von deiner Entdeckung berichtet?«
»Nein, selbstverständlich nicht! Hör mal, ich mach es einfach für dich. Ich werde zurücktreten.«
»Von wegen, verdammt! Wir müssen herausfinden, was zur Hölle das zu bedeuten hat, und zwar schnell! Wir stehen im Begriff, unsere Flotte zum Höllentor zu schicken, und Gott steh uns bei, wenn das schief geht!«
»Glaubst du …?«
»Irgendjemand hat uns schon einmal verraten, als wir mit der Second Chance bei Dyson Alpha waren. Wenn dieser Jemand noch immer da ist, kann er es wieder tun und wird es wahrscheinlich auch!«
»Gottverdammt, daran hatte ich noch überhaupt nicht gedacht! Was willst du unternehmen?«
»Hilfe suchen. Paula Myo weiß alles, was es über die Guardians zu wissen gibt. Ich werde mich mit ihr in Verbindung setzen.«
Mellanie brach ihr Versprechen. Sie gingen nicht in ein schickes Hotel in LA. Stattdessen mietete sie ein billiges Dreizimmer-Appartement direkt hinter Venice Beach. Das Gebäude war alt und heruntergekommen, das Erdgeschoss an kleine Billigläden vermietet, die T-Shirts, handgemachten Schmuck, gebrauchte Bots, Powerskates und Sportkleidung verkauften, und aus jedem einzelnen schallte bis tief in die Nacht Musik aus billigen Lautsprechern. Die Fenster der beiden darüber liegenden Etagen besaßen Holzläden mit Reihen von alten Klimaanlagen unter den Simsen, die im grellen Sonnenlicht laut surrten und pfiffen. Die Außenwände waren mit bunten Graffiti besprüht, die langsam in der salzigen Luft des Pazifik verwitterten. Alle paar Jahre wurden neue Gemälde aufgetragen. Das gegenwärtige, im retro-sowjetischen Realismusstil und mit Hilfe von modernem, holographischem Refraktionsgranulat erzeugte Bild war mehr als fünf Jahre alt und blätterte in großen Blasen ab, unter denen die Schichten vergangener Dekaden erkennbar waren und
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