Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas
Augen und Wangen eingesunken wirken. Seine Haut war genauso blass wie die von Renne. Er trug einen dunkelblauen verwaschenen Overall, was das Bild des geschlagenen Underdogs noch verstärkte.
Er starrte aus dem kleinen Fenster, als die Maschine abhob. Sein Gesichtsausdruck war nach wie vor befremdet, während das Observatorium langsam unter ihnen zurückblieb.
Rennes Kopfschmerzen hatten sich verflüchtigt, kaum dass die Luke geschlossen und die kleine Kabine unter Druck gesetzt worden war. Sie öffnete die Luftdüse über ihrem Sitz und lächelte zufrieden, als gefilterte Luft über ihr Gesicht geblasen wurde. Ein Kaffee von der Stewardess vertrieb die letzte Spur von Unbehagen, ohne dass sie ein Röhrchen Tifi hätte nehmen müssen.
»Der Flug dauert um die fünfzig Minuten«, sagte sie und drehte den Kopf in Cufflins Richtung. »Wir fliegen nach Rio und nehmen von dort aus einen Zug nach Paris.«
Cufflin schwieg und starrte unverwandt auf irgendeinen Punkt draußen vor dem Fenster, während das Flugzeug in steilem Winkel in die Stratosphäre stieg.
»Sie wissen, was passiert, wenn wir dort angekommen sind?«, erkundigte sich Renne in gelassenem Tonfall.
»Sie führen mich einem bestochenen Richter vor und erschießen mich.«
»Nein, Dan. Wir bringen Sie in eine biomedizinische Einrichtung der Navy, wo wir Ihre Erinnerungen auslesen werden. Glauben Sie mir, es ist keine angenehme Erfahrung. Die Kontrolle über den eigenen Verstand zu verlieren, während andere Menschen in Ihren Schädel eindringen und jeden Bereich Ihres Lebens untersuchen, für den sie sich interessieren. Nichts ist mehr privat, nicht Ihre Gefühle, nicht Ihre Träume. Wir entreißen Ihnen alles.«
»Großartig. Ich hatte schon immer eine exhibitionistische Ader.«
»Nein, hatten Sie nicht.« Renne seufzte in gespieltem Mitgefühl. »Ich habe Ihre Datei studiert. Ich habe mit Ihren Kollegen gesprochen. Wie sind Sie in diese dumme Geschichte hineingeraten?«
Er starrte sie an. »Ihre Verhörtechnik ist Mist, wissen Sie das?«
»Ich bin kein erfahrener Experte darin wie Sie, Dan.«
»Sehr lustig. Ich bin kein Experte. Ich bin kein Terrorist. Ich bin kein Verräter. Ich bin nichts von alledem.«
»Was sind Sie dann?«
»Sie haben meine Datei gelesen.«
»Helfen Sie meiner Erinnerung auf die Sprünge.«
»Warum?«
»Also schön, ich sage Ihnen warum. Kooperieren Sie mit uns, spucken Sie aus, was Sie wissen, und ich empfehle möglicherweise, dass wir darauf verzichten, Ihre Erinnerungen auszulesen. Aber Ihre Geschichte sollte besser plausibel sein.«
»Und meine Verhandlung?«
»Ich mache keinen Deal mit Ihnen, Dan. So funktioniert das nicht. Sie werden vor Gericht gestellt, ganz gleich, was sonst noch geschieht. Aber wenn Sie uns helfen, bin ich sicher, dass der Richter das in seine Überlegungen mit einbeziehen wird.«
Cufflin dachte eine Minute nach, und schließlich nickte er kaum merklich. »Ich habe einen Enkel. Jacob. Er ist acht.«
»Ja?«
»Ich musste vor Gericht gehen, um ihn sehen zu dürfen. Verdammt, er ist alles, was mir von diesem versauten Leben geblieben ist, das einzig Anständige jedenfalls. Es würde mich umbringen, ihn nicht sehen zu dürfen. Haben Sie Kinder, Lieutenant?«
»Einige, ja. Nicht aus diesem Leben, zugegeben; aber sie haben alle selbst Kinder. Ich bin inzwischen Urururgroßmutter.«
»Und sehen Sie alle? Ihre Familie, meine ich?«
»Wenn ich Zeit finde. Dieser Job, wissen Sie? Ich habe nicht um fünf Uhr Feierabend wie andere Leute.«
»Aber Sie sehen Ihre Familie, und das ist es, was zählt. Meine Tochter hat sich auf die Seite ihrer Mutter geschlagen. Wir sind alle auf der Erde geboren, das ist das Problem. Man muss schon Millionär sein, um auf diesem Planeten auch nur eine Verabredung mit einem Anwalt zu bekommen. Und ich bin keiner.«
»Also hat Ihnen irgendjemand Geld angeboten? Genug, damit Sie einen Anwalt beauftragen konnten?«
»Ja.«
»Wer?«
»Ich kenne seinen Namen nicht. Ich bin ihm nie begegnet. Ich habe nur einen Adresskode in der Unisphäre. Er ist eine Art Agent für persönliche Sicherheitsprobleme. Ein Freund hat mir von ihm erzählt. Meinte, er wäre vielleicht in der Lage, mir zu helfen.«
»Okay. Der Name?«
»Robin Beard.«
»Und dieser Agent hat Sie rekrutiert?«
»Ja.«
»Um was zu tun?«
»Mit seinen Worten – praktisch nichts. Ich hatte Angst, dass ich vielleicht jemanden umbringen müsste – wahrscheinlich hätte ich sogar das getan. Doch er wollte
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