Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas
den gesamten Prozess. Die Signale kommen einmal pro Monat herein. Wir empfangen sie und speichern sie für die Forschungseinrichtung ab. Die erwartete Dauer des Projekts beträgt dreißig Jahre.« Jennifer Seitz bemerkte die Überraschung in Rennes Augen. »Was denn? Glauben Sie etwa, das wäre langfristig? Wir haben einige Observationen hier, die ein ganzes Jahrhundert benötigen, bis sie vollständig sind – wenn wir Glück haben, heißt das.«
»Okay, machen wir hier eine kurze Pause«, sagte Renne. »Erklären Sie mir alles ganz langsam noch einmal. Ich wusste nicht mal, dass das Commonwealth irgendeine Operation auf dem Mars hatte. Woher genau kommen diese Signale?«
»Von der ferngesteuerten Station auf Arabia Terra.«
»Und welche Art von Forschung wird dort betrieben?«
»So ungefähr das gesamte Spektrum planetarer Fernerkundung. Meteorologie, Geologie – oder sollte ich lieber sagen Areologie? –, Solarphysik, Strahlenforschung. Es ist eine lange Liste. Nennen Sie das Forschungsgebiet, und es hat seine eigenen Sensoren da oben. Sie stehen überall auf dem Mars, übertragen ihre Ergebnisse nach Arabia Terra, wo sie gesammelt und zu uns übermittelt werden. Satelliten ebenfalls. Es gibt gegenwärtig vier davon im Polarorbit, auch wenn sie alle ersetzt werden müssten.«
»Ich wusste überhaupt nicht, dass sich noch irgendwer für den Mars interessiert?«
»Es sind in der Tat nur sehr wenige Leute«, antwortete Jennifer Seitz und lächelte sarkastisch. »Wir reden hier schließlich von Astronomie. Selbst nach Dudley Bose ist Astronomie nicht gerade der beliebteste Beruf im Commonwealth. Außerdem gibt es eine Menge viel interessanterer Planeten als den Mars. Trotzdem, eine kleine Sammlung von Sensoren kann in einem langen Zeitraum genauso viele Daten erbringen wie einige große während eines intensiven Studiums. Die Daten sind sogar aussagekräftiger, wenn sie über einen längeren Zeitraum gesammelt werden. Repräsentativer. Wir haben überall im Sonnensystem ferngesteuerte Stationen, die Daten sammeln und in einem steten Strom zu uns und den anderen Observatorien übertragen. Die meisten irdischen Universitäten und Forschungseinrichtungen haben eine kleine Abteilung für jeden Himmelskörper. Sie alle kämpfen mit unzureichenden Mitteln, während sie ihre Informationen analysieren und katalogisieren. Doch die von ihnen eingesetzten Instrumente kosten nach heutigen Maßstäben nicht viel; es sind ausnahmslos Festkörpersensoren, die entweder von Solarzellen oder durch Geothermie mit Energie versorgt werden und Jahrzehnte halten. Sie liefern gerade genügend Informationen, um die wenigen Planetologen, die es auf der Erde noch gibt, im Geschäft zu halten.«
»Ich hätte gerne eine Liste dieser Leute.«
»Die Einrichtung, welche die Forschung auf dem Mars finanziert, sitzt in London. Es ist die Lambeth Interplanetary Association, glaube ich. Gott weiß, woher sie ihre Gelder haben. Ich meine, stellen Sie sich das vor – reine Planetologie, und das in unserer Zeit. Man muss schon ein rechter Liebhaber der Wissenschaften sein, um so etwas zu unterstützen.«
»Was genau ist das für ein Projekt, das die Lambeth Association finanziert?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Sie haben keine Ahnung?«, erwiderte Renne so laut, dass sie schnell atmen musste, um ihre Lungen wieder zu füllen. Sie spürte, wie sich hinter ihren Schläfen Kopfschmerzen entwickelten.
»Nicht mein Gebiet«, sagte Jennifer Seitz. »Genau genommen bin ich Radioastronomin. Ich arbeite mit den großen Schüsseln. Sie gehören zum Solaren Array. Unsere Basislinie ist der Orbit des Pluto; dadurch haben wir eine höllische Empfangsempfindlichkeit. Das ist auch der Grund, warum wir hier so viele Hilfsempfänger haben – um mit den übrigen im Sonnensystem verteilten Einheiten in Verbindung zu bleiben, die ziemlich weit draußen stehen. Verstehen Sie, ich interessiere mich nicht im Geringsten für Marsstaub oder die Bruchmuster von Eis in Europa oder die supraleitenden Ströme von Charon. Wenn Sie hergekommen wären, um etwas wirklich Interessantes zu erfahren, beispielsweise die Nachstrahlung vom Urknall oder Mag-Quasar-Pulse, dann könnte ich Sie tagelang unterhalten.«
»Ist irgendjemand auf dieser Station Planetologe?«
»Nein. Wir haben hier lediglich zwei Radioastronomen – mich und meine Partnerin Carrie – sowie vier Techniker, die alles am Laufen halten. Nun ja – so weit jedenfalls, wie man das Array mit den begrenzten,
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