Conan der Freibeuter
Achterdecks und die Masten mit dem Takelwerk sanft im leichten Wellengang.
Zweifellos stand ein Freibeuter auf dem Achterdeck Wache, doch zumindest im Augenblick schaute er nicht über die Reling. Wenn sie sich hinter dem Heck hielt, war ihre Chance, nicht gesehen zu werden, größer, als wenn sie von der Seite des Schiffes oder vom Bug weg schwamm.
Um weniger aufzufallen und das Schiff selbst im Auge zu behalten, schwamm Chabela auf dem Rücken, wobei nur das Gesicht aus dem Wasser ragte und parallel zum Strand, um das Heckkastell zwischen sich und dem Rest des Schiffes zu haben. Wenn sie merkte, daß sie ermüdete, ließ sie sich eine Weile treiben und ruderte nur leicht mit den Händen.
Endlich lag die Albatros so weit zurück, daß sie vom Schiff aus wohl kaum mehr zu entdecken war. Jetzt erst schwenkte Chabela zum Strand ab und schwamm mit kräftigen Bewegungen.
Sie zitterte vor Erschöpfung, als sie sandigen Boden unter den Füßen spürte, und kroch auf allen vieren den gelbgrauen Strand hinauf. Im Schatten der Palmen setzte sie sich in ein Farndickicht, um sich ein wenig zu erholen.
Sie fürchtete nur, von einem Elend in ein noch schlimmeres geraten zu sein, denn welche Schrecken mochte diese Insel beherbergen? Und wenn keine Inselungeheuer sie belästigten, konnte es immer noch sein, daß sie Zarono und seinen Halunken in die Hände lief. Aber sie vertraute Mitra und fühlte sich hier wohler als eingesperrt auf dem Schiff ihrer Feinde.
Als sie sich wieder kräftig fühlte, erhob sie sich, schlenderte ein wenig umher und erkundete die Gegend, um sich klarzuwerden, in welche Richtung sie sich wenden sollte. Immer wieder zuckte sie zusammen, wenn scharfe Steinchen oder kleine Zweige in ihre nackten Sohlen drückten oder schnitten, denn da sie in den letzten Jahren selten Gelegenheit gehabt hatte, barfuß zu laufen, waren sie sehr empfindlich. Die Brise vom Meer kühlte ihre nasse Kleidung, und sie mußte immer öfter niesen. Ungeduldig öffnete sie schließlich den Gürtel und zog das Gewand über den Kopf. Die Nachmittagssonne, die schräg durch die Palmen am Strand fiel, wärmte die olivfarbige Haut ihres gesunden, wohlgerundeten Körpers.
Sie wrang das restliche Wasser aus ihrem Kleid und breitete es auf den Farnen zum Trocknen aus. Mit dem Dolch trennte sie einen Streifen des Saumes ab, teilte ihn in zwei Stücke und wickelte sich diese um die Füße.
Als das Gewand trocken war, schlüpfte sie wieder hinein und trug es so, daß es ihr nur noch bis zu den Knien reichte. Sie fühlte sich nun auch erholt genug, die Insel zu erforschen. Den kleinen Dolch nahm sie in ihre kräftige Rechte. Zwar hätte sie lieber ihren Degen gehabt, aber das Messer war besser als gar keine Waffe.
Als sie sich landeinwärts bewegte, schloß sich bald der üppige Dschungel um sie. Eine süßliche Geruchsmischung aus verrottenden Pflanzen und tropischen Blüten stieg ihr in die Nase. Die rauhe Rinde mancher Stämme, sägekantige Wedel und dornige Ranken verfingen sich in ihrem Gewand, zerrissen es und zerkratzten ihr auch Arme und Beine.
Tiefer im Inselinnern wurde das Unterholz lichter. Aber da wurde ihr die unheimliche Stille erst richtig bewußt, vor allem, da der Wind sie nicht mehr begleitete. Ihr Herz begann heftig zu pochen.
Sie stolperte über eine Wurzel und fiel. Müde stand sie auf, doch gleich darauf strauchelte sie erneut. Beim drittenmal wurde ihr klar, daß sie völlig erschöpft war. Mit aller Willenskraft schleppte sie sich weiter.
Plötzlich sah sie einen schwarzen Schatten vor sich – eine riesenhafte Gestalt, von der jedoch nur die Umrisse zu erkennen waren. Chabela schrie auf und versuchte zurückzulaufen, aber sie fiel erneut. Die Gestalt stürmte auf sie zu.
Conan blickte nachdenklich über das Meer und auf Zaronos Albatros, die in der Bucht Anker geworfen hatte. Er wandte sich an Zeltran:
»Wir könnten sie im Sturm nehmen. Es sind nur noch ein paar Mann Besatzung an Bord. Zarono würde sich wundern, wenn er zurückkäme und feststellte, daß er gestrandet ist. Was hältst du davon, hm?«
Zeltran schüttelte den Kopf. »Nein, Käptn, ich halte es nicht für klug.«
»Warum nicht?« schnaubte Conan. Ein Sturmangriff lag seiner Barbarennatur, aber in seinem abenteuerlichen Leben – sowohl an Land als auch auf See – hatte er Vorsicht gelernt. Er wußte, daß der rundliche kleine Zingarier nicht bloß ein mutiger Kämpfer, sondern auch schlau und praktisch veranlagt war und er gut daran
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