Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
in Ymirs Namen«, brummte einer der AEsir und blickte beunruhigt auf die fernen Berge. »Das hier ist sein Land, und den Legenden nach haust der Gott zwischen jenen Gipfeln.«
»Ich sah eine Frau«, murmelte Conan. »Wir stießen auf der Ebene auf Bragis Männer. Ich weiß nicht, wie lange wir kämpften. Ich überlebte als einziger. Aber ich war geschwächt und Schwindel befiel mich. Das Land lag wie in einem Traum vor mir, erst jetzt erscheint mir alles wieder natürlich und vertraut. Diese Frau kam und lockte mich. Sie war so schön wie eine gefrorene Höllenflamme. Ein seltsamer Wahnsinn überkam mich, als ich sie ansah, und ich vergaß alles andere auf der Welt. Habt ihr denn ihre Spuren nicht gesehen? Und die Riesen im eisigen Panzer, die ich erschlug?«
Niord schüttelte den Kopf. »Nur deine Fährte war im Schnee, Conan. Sonst nichts.«
»Dann mag es sein, daß der Wahnsinn mich wahrhaftig erfaßt hat«, murmelte Conan verwirrt. »Dabei kann ich schwören, daß die goldgelockte Frau, die nackt über den Schnee vor mir floh, nicht weniger wirklich war als ihr. Und doch verschwand sie vor meinen Augen in eisigem Feuer.«
»Er spricht im Fieberwahn«, flüsterte ein Krieger.
»Das tut er nicht!« rief ein älterer AEsir, dessen Augen wild glänzten. »Das war Atali, des Eisriesen Ymirs Tochter! Ist eine Schlacht zu Ende, kommt sie zum Feld und zeigt sich den Sterbenden. Ich selbst sah sie, als ich noch ein Junge war und halbtot auf der blutigen Ebene von Wolfraven lag. Sie wandelte durch die Toten im Schnee. Ihr nackter Leib schimmerte wie Elfenbein, und ihr goldenes Haar glitzerte unerträglich blendend im Mondschein. Ich lag und heulte wie ein verreckender Hund, weil ich ihr nicht hinterher kriechen konnte. Sie lockt die Überlebenden der Schlacht in die Schneeöde, damit ihre Brüder, die Eisriesen, sie erschlagen und ihre Herzen noch warm auf Ymirs Tisch legen können. Der Cimmerier hat Atali, des Eisriesen Tochter gesehen!«
»Pah!« brummte Horsa. »Der alte Gorm ist nicht mehr ganz klar im Kopf, seit er in seiner Jugend einen Schwertstreich auf den Kopf bekam. Es ist der Fieberwahn nach der blutigen Schlacht, der Conan schüttelte. Seht doch nur, wie eingebeult sein Helm ist. Jeder dieser Hiebe auf den Schädel mag seinen Verstand verwirrt haben. Einem Trugbild, nichts anderem, folgte er in die Eisöde. Er kommt aus dem Süden. Was weiß er schon von Atali?«
»Du magst recht haben«, murmelte Conan. »Es war alles seltsam und gespenstisch, bei Crom!«
Er unterbrach sich und starrte auf das, was er immer noch krampfhaft in der geballten Hand hielt. Die anderen rissen stumm die Augen auf, als er ein Stück schleierfeinen Gespinsts hochhielt, wie es von keiner Menschenhand gesponnen sein konnte.
Die Eisschlange
Die
Eisschlange
D IE E ISSCHLANGE
Lin Carter und L. Sprague de Camp
Von der Erinnerung an Atalis eisige Schönheit heimgesucht und des primitiven Lebens in Cimmerien müde, reitet Conan südwärts, zivilisierteren Landen entgegen, wo er hofft, sich in einem der kleinen hyborischen Königreiche als Söldner verdingen zu können. Zu dieser Zeit ist Conan etwa dreiundzwanzig Jahre alt.
1
Den ganzen Tag hatte der einsame Reiter die Hänge des Eiglophiagebirges erklommen, das sich von Osten nach Westen wie ein mächtiger Wall aus Schnee und Eis über die Welt zog und die nordischen Länder Vanaheim, Asgard und Hyperborea von den südlichen Königreichen trennte. Im tiefen Winter waren die meisten Pässe unbezwingbar, doch mit dem Beginn des Frühlings öffneten sie den Scharen hellhaariger nordischer Barbaren die Wege für ihre Raubzüge in südlichere Gefilde.
Auf der Höhe des Passes, der südwärts zu ins Grenzkönigreich und nach Nemedien führte, zügelte der Reiter sein Pferd und betrachtete die phantastische Szenerie vor sich.
Der Himmel war eine Kuppel aus roten und goldenen Schleiern, die sich vom Zenit zum östlichen Horizont mit dem Purpur des nahenden Abends verdunkelten. Aber die feurige Pracht des sterbenden Tages färbte die Schneekappen der Berggipfel noch mit einem trügerisch warmen Leuchten, und warf tiefe Lavendelschatten über ein titanisches Gletscherfeld, das sich wie eine Eisschlange von einer Senkung zwischen den höheren Gipfeln immer tiefer wand, bis es einen Bogen um den Paß beschrieb und schließlich, schmäler und schmäler werdend, sich zum Eisbach verengte. Der Reiter, der den Paß durchquerte, mußte sich vorsichtig einen Weg
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